Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
die ewigen Duckmäuser und Ja-Sager vertreten sie betonharte Glaubenssätze. Nur dass ihre Dogmen allein aus der rigorosen Ablehnung alter Glaubenssätze entstehen. Wo ist denn der Unterschied zwischen: »Hier kommen nur Leute mit Krawatte rein« und »Hier kommen nur Leute ohne Krawatte rein«? Zu meinen, man stünde über den Glaubenssätzen, und dabei nur ein überheblicher Verfechter genau des Gegenteils zu sein – das ist doch nur jämmerlich! Wenn jemand für sich persönlich entscheidet, dass er sich in Pulli, offenem Hemd, schwarzem Rolli, Lederweste oder was auch immer wohler fühlt als in einem Jackett, dann ist das in Ordnung. Für mich gilt: Mir fällt es leichter, einen Vortrag in einem Anzug zu halten als in Strandklamotten. Wenn ein anderer das gerne barfuß macht – bitte. Soll jeder für sich entscheiden. Aber niemand soll meinen, er sei mit seiner Wahl besser als andere.
Da sind wir bei einem heiklen Thema: Oft sind es gerade diejenigen, die gegen Glaubenssätze Sturm laufen, die die verknöchertsten Grundsätze haben und am unnachgiebigsten ihre Position vertreten. Samstags sein Auto vor der Garageneinfahrt zu waschen, das kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Aber vielleicht ist das für manche total entspannend. Vielleicht ist das sogar besser als Yoga und eine Woche Meditation im Kloster zusammen. Warum soll es denn weniger beruhigend sein, den Poliermop in endlosen Schwüngen über das Blech kreisen zu lassen, als in einem Zen-Garten Kies zu harken? Spießig finde ich es, wenn andere das Samstags-Auto-Waschen spießig finden und meinen, es mit überheblichen Blicken abstrafen zu müssen. Das sind genau die Typen, die vor lauter Angst, beim Wagenwaschen ertappt zu werden, lieber donnerstags frühmorgens, wenn es noch dunkel ist, schnell mit dem Tchibo-Autohandschuh über ihre Kühlerhaube fahren und mit dem Akku-Sauger die Krümel aus ihrem Auto pusten. Oder glaubst du, die Samstags-Auto-waschen-Verweigerer würden ihren Wagen nie schmutzig machen?
Die Bevölkerungsgruppe, die dieses verquere Verhalten zur Vollkommenheit stilisiert hat, sind für mich die Punks. Die echten, meine ich, nicht die, die in 450-Euro-Jeans, die von unterbezahlten Chinesinnen kunstvoll auf kaputt getrimmt wurden, und mit 250-Euro-Haarschnitten, bei denen jeder Euro dafür ausgegeben wurde, dass die Frisur nicht nach Frisur aussieht, herumlaufen. Ich meine die, die vor den Hauptbahnhöfen herumlungern, um ein paar Euro betteln und diejenigen anpöbeln, die sich abwenden, ohne nach ihrem Portemonnaie zu greifen. »Hey, hältst dich wohl für was Besseres, wa?« Aus ihrer Anti-Haltung heraus haben sie sich uniformiert: Piercings, Nieten und Leder; Zuckerwasser oder geklautes Haarspray im Haar. Einer sieht so aus wie der andere. Und die Klamotten über www.punk.de geordert.
Hey, das war jetzt ein Test! Hast du es gemerkt? »
Die
Punks hängen nur rum und stehlen.« Auch wieder ein Glaubenssatz. Einer, der nicht meiner ist, ich habe ihn mir hier nur kurz ausgeliehen. Nun, meine Meinung ist klar: Punks definieren sich darüber, dass sie anders sein wollen als die anderen – und sehen dabei tragischerweise einander zum Verwechseln ähnlich.
Und was ist
deine
Meinung?
Kolonie der Handbremsen
Nimm dir die Freiheit, mit Glaubenssätzen zu machen, was du willst. Lass zu, dass sie dir dabei helfen, dein Leben zu regeln und so Energie zu sparen. Du weißt, dass sie nicht für jeden gelten müssen und auch nicht für alle Situationen und für alle Zeit. Wenn du erkennst, dass sie als ewig gültige Gebrauchsanweisung nicht taugen, sondern dass du sie immer wieder mal auf den Prüfstand heben musst, dann ist alles okay.
Aber es gibt auch die schwarzen Schafe unter den Glaubenssätzen. Für sie gilt immer: Weg damit! Denn sie regeln nicht dein Leben, sondern verhindern deine Zukunft. Das sind die, über die die Zeit längst hinweggerollt ist. Und das sind vor allem die selbst gemachten, die nichts anderes als breitgetretene Ausreden dafür sind, dass du die Hände in den Schoß legst. Sie lassen dich glauben, dass du dich vor anstehenden Entscheidungen drücken darfst.
»Ich kann das nicht.«
»Ich hatte ja nie eine Chance.«
»Ich hatte eine schwere Kindheit.«
»Ich hab’s nicht so mit Zahlen.«
»Sport? Geht nicht. Meine Knie sind kaputt.«
»Ich hab halt schwere Knochen.«
»Ich bin nicht gut darin, andere Leute anzusprechen.«
»Ach, die hat bestimmt schon einen Freund.«
»Ich mache das der Kinder
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