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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: GABAL Verlag
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keine Situation vorstellen, in der dieser Ausspruch seine allgemeine Gültigkeit verlieren würde. Es kommt nur darauf an, wie du ihn umsetzt …
    Meine Glaubenssätze wirken wie Zwang, den mir mein kultureller Hintergrund auferlegt. So ein Korsett engt nicht nur ein, sondern kann auch stützend wirken – das ist ja der Sinn von so einem Apparat. Glaubenssätze können uns helfen, unseren Alltag zu meistern. Sie befreien uns davon, zu viele Entscheidungen treffen zu müssen. Wenn zum Beispiel Konsens ist, dass Pünktlichkeit eine Tugend ist, dann brauche ich auch nicht lange zu überlegen, wann ich losgehe, um mich um drei Uhr mit einem Freund zu treffen. Um halb vier? Dann ist der zu Recht sauer. Kurz vor zwei? Auch nicht, denn dann warte ich eine Stunde am vereinbarten Treffpunkt. Mit dem Glaubenssatz »Man ist pünktlich« im Hinterkopf richte ich mir meine Zeit automatisch so ein, dass keiner seine Zeit verschwenden muss. Vielleicht meinst du: Ist doch selbstverständlich, Pünktlichkeit anzustreben! Da muss man doch nicht lange drüber nachdenken!
    Eben.
    Für uns ist »Pünktlichkeit eine Tugend«. Und wer hierzulande nicht pünktlich ist, ist zumindest eine Erklärung schuldig. Andere Kulturen können da ganz anders ticken. Manager, die in Schwarzafrika Unternehmen aufbauen wollen, können ein Lied davon singen. Sind wir also besser als die Schwarzafrikaner? Natürlich nicht. Nur anders.
    Was denn nun? Stecken uns unsere Glaubenssätze in eine Zwangsjacke, hindern sie uns daran, unser Leben selbstbestimmt zu führen, und hemmen sie unsere Entwicklung zu autarken Wesen, die ihr Leben in eigener Verantwortung leben? Oder sind sie der notwendige Kitt, der dafür sorgt, dass wir eben nicht alles und jede Meinung neu erfinden müssen und auch ohne Überdosis an Grundsatzdebatten durchs Leben kommen?
    Beides.
Mit den Hühnern aufstehen
    Wenn in einer Gesellschaft gilt: »Morgenstund hat Gold im Mund« und »Der frühe Vogel fängt den Wurm«, dann ist gesetzt, dass jeder, der um zehn noch in den Federn liegt, ein Faulpelz und Tunichtgut ist. Die einen finden das ganz in Ordnung so, und die anderen verdrehen nur ihre Augen.
    Für mich persönlich ist es sehr schwer, frühmorgens schon fit zu sein. Da geht es mir wie vielen anderen auch. Aber in meinem Business ist es notwendig, dass ich um acht Uhr morgens leistungsfähig bin. Oder einfach um 7.05 Uhr in Friedrichshafen im Frühflieger in Richtung Frankfurt sitze. Frühflieger – das heißt, der Wecker klingelt um 4.45 Uhr. Viertel vor fünf. Glaub mir, das fällt mir nicht leicht. Diese Uhrzeit kommt in meiner Lebensplanung nicht vor.
    Aber die Geschäftswelt richtet sich nun mal nicht nach mir. Das akzeptiere ich. Ich habe es mir überlegt und bin zu dem Schluss gekommen, dass es für mich gut ist, hier mit dem Strom zu schwimmen und zum Glaubenssatz Ja und Amen zu sagen. Ich könnte natürlich auch versuchen durchzusetzen, dass ich vor zehn nicht zu erreichen bin. Aber für meinen Geschmack wären die Nachteile größer als die Vorteile. Also stelle ich meinen Wecker. Und damit ist das Thema für mich erledigt.
    Bei anderen Glaubenssätzen bin ich nicht so nachgiebig. Es gab eine Zeit, in der der Besitz eines Hauses zu meinem Leben gehörte. Das ist vorbei. Es war in Ordnung, ein Haus zu haben. Und es ist in Ordnung, jetzt in einer Mietwohnung mit Dachterrasse zu leben. Wenn aber einer kommt und im Brustton der Überzeugung sagt: »Schaffe, schaffe, Häusle baue!«, dann geht mir in der Tasche das Messer auf. Denn dahinter steht die Einstellung, dass du nur mit einem eigenen Haus ein ganzer Mann bist. Ich habe schon genug Freunde und Bekannte gesehen, die dieser Glaubenssatz in den Ruin getrieben hat. Sie haben sich mit Krediten übernommen; sie wollen das mit viel Herzblut renovierte Heim nicht mehr verlassen, obwohl sie in der Zwischenzeit woanders viel bessere Lebensbedingungen hätten finden können; sie bezahlen leer stehende Häuser mitten in der Pampa ab, weil die Frau längst weg ist.
    Ein Haus bauen oder kaufen – das ist so eine typische Sache, die zum einen passt und zum anderen weniger. Und wenn für dich das eine heute das Richtige ist, muss es das morgen lange nicht mehr sein. Schon gar nicht, wenn man einem Glaubenssatz auf den Zahn fühlt. Bleiben wir beim Beispiel: »Kauf dir ein Haus, dann hast du was.« Bei einem Kredit über 400 000 Euro fallen im Jahr bei 4 Prozent Zins summa summarum 16 000 Euro für Zinsen an. Und zwar nur für Zinsen.

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