Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
Filme kaufen, die uns so stark machen? Also setzte man weiter auf die analoge Technologie – so wie die fast hundert Jahre zuvor auch. Und überließ die Entwicklung einer massentauglichen Digitalkamera der Konkurrenz. Als die Führungsebene endlich ihren Fehler erkannte, war es längst zu spät. 2003 strich Kodak 47 000 Arbeitsplätze, im Januar 2012 meldete das Unternehmen Insolvenz an.
Ich meine: Okay, wir wollen nicht stehen bleiben und umdrehen. Wir wollen nicht von dem einmal eingeschlagenen Weg abweichen. Nicht, wenn er uns nur Mühe macht und aus spitzen Steinen besteht. Und auch nicht, wenn es bisher recht bequem auf ihm zu laufen war, aber abzusehen ist, dass es so nicht weitergeht. Aber warum denn nicht? Was ist denn so schlimm daran, einen Neuanfang zu wagen, wenn das Ziel, das man bislang verfolgt hatte, sich als undurchführbar oder unsinnig erwiesen hat?
Trennungsschmerzen
Die Investition mit Zähnen und Klauen verteidigen
Wer vor einer wichtigen Entscheidung steht, lässt seinen Blick immer auch in die Vergangenheit schweifen: Ich kann mich doch nicht von meinem Freund trennen; wir haben doch schon so viel gemeinsam erlebt; lieber bleibe ich bei ihm, auch wenn er mich wahnsinnig macht. Aber nicht nur schöne Erinnerungen vernebeln den Blick auf die aktuelle Realität. Es reicht schon die Tatsache, dass man in der Vergangenheit in etwas investiert hat. Und seine Investition in den Wind zu schießen, das fällt niemandem leicht.
Sich vom Partner trennen, mit dem man schon seit dreizehn Jahren zusammen ist – sollen denn all die Jahre umsonst gewesen sein?
Oder den Job hinwerfen – mitten im Rennen das Pferd wechseln? Dann hätte man ja vergeblich darauf hingearbeitet, endlich stellvertretender Abteilungsleiter zu werden.
Oder das Haus verkaufen – wegziehen? Das Haus wird niemals einen Preis erzielen, der den Aufwand für Ausbau und Sanierung auch nur annähernd deckt.
Im Innersten weißt du es genau, wenn du nicht mit dieser Frau, in diesem Job, in diesem Haus leben möchtest. In deinem eigenen Leben kennst du dich ja am besten aus. Und trotzdem scheust du dich, die Reißleine zu ziehen. Denn es gibt einen gemeinsamen Nenner, der alle diese Entscheidungen so schwer macht: die Angst davor, Verlust zu machen. »Ich habe schon so viel investiert, da kann ich doch jetzt nicht aufhören.«
Da geht es dir genauso wie den Unternehmen, die sich nur ungern von Geschäftszweigen trennen, wenn die doch früher mal so gewinnbringend waren oder wenn doch schon so viel Geld in sie hineingepumpt wurde.
Wie blöd ist das denn! Das ist wie bei einem Anleger, der Aktien eines Handyherstellers gekauft hat, und zusieht, wie die Smartphones der Konkurrenz den Wert seiner Aktien weiter und immer weiter drücken. Selbst wenn die Aktie längst auf ein Zehntel gefallen ist, scheut er sich, zu retten, was zu retten ist. Sogar wenn im Wirtschaftsteil der Zeitung von Insolvenz die Rede ist, hält unser Mann an seiner Anlage fest, hofft auf ein Wunder. Denkt: »Ich habe so viel Geld da reingesteckt, dann kann ich auch noch ein bisschen länger warten.« Es gibt sogar ein paar Spezialisten, die noch Aktien im Low dazukaufen. Weil der Kurs so schön niedrig ist. Und wenn dann der Tag des Triumphes endlich kommt und all das Warten und Ausharren belohnt wird, steht man dann noch besser da. Dumm nur, dass der Anleger oft vergeblich wartet.
Für diesen Typ Investor, der auf den Sankt-Nimmerleins-Tag hofft, hat kein Mensch wirklich Verständnis. Gutes Geld dem schlechten hinterherwerfen, das macht doch niemand. Doch. Je höher die Investition, desto schwieriger ist es, der Realität ins Auge zu schauen und die Reißleine zu ziehen. Die alles beherrschende Frage lautet: Was war, was wurde schon investiert? Sie lässt dich in Schockstarre verharren. Kaum einer ist davor gefeit, auf einem toten Gaul sitzen zu bleiben. Und dabei geht es natürlich nicht nur um finanzielle Dinge, das wäre ja noch zu verschmerzen. Geld ist eben nur Geld. Schlimm bis zur Unerträglichkeit ist es, wenn du nicht Moneten vergeudest, sondern dein Leben. Wenn du es nicht schaffst, dich von der falschen Lebensweise, dem falschen Job, dem falschen Partner zu trennen. Wenn du lieber untätig bleibst, als ins Handeln zu kommen. Wenn du nicht bereit bist, auch mal etwas abzuschreiben.
Verluste um jeden Preis vermeiden zu wollen, ist ein schlimmer Fehler! Denn die Sinnhaftigkeit einer Entscheidung hat gar nichts damit zu tun, ob und wenn ja wie viel schon
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