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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: GABAL Verlag
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ich, da ich nicht mehr zur Schule ging, sowieso nicht zu tun.
    Beim Umsonst-und-draußen-Festival in Würzburg kam genau die richtige Klientel zusammen: In kurzer Zeit verkaufte ich meinen gesamten Bestand. Der Gewinn war nicht schlecht. Also machte ich einfach weiter. Zwei Monate später ging es wieder nach Rom auf Einkaufstour. Eigentlich ein prima Nebenverdienst. Aber eben immer noch ein »Nebenverdienst«. Richtig reingehängt habe ich mich in dieses Geschäft nicht. Es lief nur »nebenbei«, ich arbeitete nur mit Bordmitteln, hatte nicht einmal einen richtigen Stand, nur einen improvisierten Klapptisch. Und entsprechend war auch das Ergebnis: Ich hielt mich gerade so über Wasser. Und auch das nur, weil das Wasser nicht tief war.
    Im Schlamm eines total verregneten Open-Air-Konzerts habe ich alles aufgegeben.
    Hätte ich die Sache professionell angepackt, besser organisiert, mehr Energie reingesteckt, hätte ich auch richtigen Gewinn machen können. Die Nachfrage war da. Nur nicht meine Entscheidung, mich auf diesen Schmuck zu konzentrieren. Irgendwann stand ich dann mit meinen Ketten und Ringen in meinem improvisierten Zelt im knöcheltiefen Schlamm eines total verregneten Open-Air-Konzerts und dachte nur noch: »Scheiße!« Ich hab dann alles aufgegeben. Meine Halbherzigkeit hatte dem Projekt den Garaus gemacht.
    Wer nicht entscheidet, macht auch keine Fehler? Sorry, aber das ist zu kurz gedacht. Wer an der Weggabelung stehen bleibt, sich für alle Zeiten die Option für A, B, C und D erhalten will, kommt sein Leben lang keinen Schritt mehr vorwärts.
    Warum fallen die Entscheidungen dann trotzdem schwer? Na ja, wer etwas entscheidet, entscheidet sich nicht nur
für
etwas, sondern automatisch auch
gegen
etwas. Mit jeder Entscheidung verwirfst du hundert andere Möglichkeiten. Schließlich hat Entscheiden etwas mit Scheiden, Trennen zu tun. Gut von schlecht trennen, richtig von falsch. Und genau das ist der Punkt: Wer sagt dir, was richtig ist? Keiner! Wer sagt dir, was falsch ist? Keiner! Da gibt es kein objektives Maß; was gut ist, bestimmst du, was falsch ist, bestimmst du. Und ja, danach musst
du
mit dem Ergebnis leben. Wenn du entscheidest, dich für den Studiengang Maschinenbau in Aachen einzuschreiben, heißt das automatisch, dass du nicht in Braunschweig Elektrotechnik und auch nicht in Berlin Bauingenieurwesen studierst.
    Du hast dann deine Optionen eingeengt. Ja, so ist es. Es gibt keine Reiserücktrittsversicherung im Leben. Wenn du aber nicht entscheidest, dann überlässt du dein Leben dem Zufall. Und das ist die größte Entscheidung von allen: Willst du dein Leben aktiv gestalten, der Kapitän auf deinem Schiff sein? Oder willst du, statt auf der Brücke zu stehen, dich wie ein Krustentier außen an den Schiffsrumpf heften und einfach abwarten, wohin dich das führerlose Boot treibt? Als Kapitän kommst du gar nicht daran vorbei: Du musst entscheiden – und die Konsequenzen tragen.
    Lass das Gefühl, keine Alternativen mehr zu haben, für dich nicht zum Schreckgespenst werden! Denn es stimmt ja gar nicht, dass einer, der sich für A entschieden und B verworfen hat, für alle Zeit an A gefesselt ist. Was stimmt: Die Möglichkeit, nach einem Jahr die Zeit zurückzudrehen und sich statt für A lieber doch für B zu entscheiden, wird es nur in den seltensten Fällen geben. Doch bald kommt schon die nächste Weggabelung, bei der es dann darum geht, entweder auf A zu bleiben oder vielleicht X oder Y ins Auge zu fassen. Die Alternativen werden dir also nie ausgehen!
    Du kannst natürlich auch versuchen, ohne Entscheidungen auszukommen. Dann bitte, unterschreib hier:
    »Ich erkläre mich einverstanden damit, dass über mein Leben ab heute von anderen entschieden wird. Ich nehme die Konsequenzen aus meinem Nicht-Entscheiden an und verzichte auf jede Regressforderung.«

KAPITEL 2
Gurtschloss: Was uns zurückhält
    »Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.« LUCIUS ANNAEUS SENECA
     
    November 2012. Auf dem Flug von Havanna nach Mailand schieben Flugbegleiter die Cateringwagen durch die engen Gänge der Boeing 767-300.
    »Kaffee oder Tee? Oder lieber etwas Kühles?«
»Ich nehme eine Cola, danke.«
    Die Stewardess schenkt ein und beugt sich mit dem Plastikbecher zum Passagier am Fenster. In diesem Moment passiert es: Das Flugzeug wird von einer Clear Air Turbulence wie von einer unsichtbaren Faust angehoben und wenige Sekunden darauf nach unten

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