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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: GABAL Verlag
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Copiloten, einzugreifen: »Check altitude.« In 99,9 Prozent der Fälle wird der Pilot antworten: »Oh Mann, danke.
    Bin wieder auf Kurs.« Aber es gibt auch noch die fehlenden 0,1 Prozent.
    Kann sein, dass der Pilot übermüdet ist. Oder dass er einen richtig dicken Hals hat, weil er schon wieder für die unbeliebte Strecke eingeteilt worden ist. Wenn der Pilot auch nach Aufforderung seines Partners weiter Mist baut, muss der Copilot aktiv werden. Das ist weltweit ein fester Bestandteil der SOPs – der »Standard Operations and Procedures«: Wenn der Pilot seinen Job nicht macht, dann übernimmt der Copilot das Flugzeug. Und zwar umgehend. Ohne Schonfrist.
    Dafür gibt es einen finalen Code: Der Copilot berührt den Piloten und sagt: »My aircraft!«
    Damit ist der Pilot von einer Sekunde zur anderen entmachtet. So eine Meuterei auf Rezept kommt nur sehr selten vor, und zum Spaß schon gar nicht. Sie
muss
aber stattfinden, wenn es um Leben und Tod geht. Im Ernstfall hat der Copilot die Pflicht, die Verantwortung zu übernehmen und den Piloten auszuschalten. Auch wenn er sein Freund ist. Auch wenn er sein Mentor ist. Auch wenn er damit dem anderen jede Menge Stress nach der Landung beschert.
    Es ist eine Frage des Überlebens: Wenn der eine nicht mehr die richtigen Entscheidungen trifft, muss der andere eingreifen und Verantwortung übernehmen. Das ist schwer. Tausendmal schwerer, als sich zurückzulehnen und zu sagen: »Geht doch. Noch sind wir ja nicht abgestürzt.«
Blindflug
    Um dein eigenes Ziel, dein eigenes Glück zu erreichen, musst du der Pilot deines Lebens sein, der den Steuerknüppel fest in der Hand hält. Lass keinen anderen diesen Job machen. Denn das heißt automatisch, dass der die Kontrolle über dein Flugzeug hat – und du dich mit der Rolle begnügen darfst, hinten den Tomatensaft auszuschenken.
    Und wenn der Pilot in dir in Routine erstarrt ist? Wenn er zwar bilderbuchmäßig fliegt, aber in die falsche Richtung? Dann muss der Copilot die Dinge in die Hand nehmen. Er muss schon in dem Moment eingreifen, in dem er merkt, das etwas beginnt schiefzulaufen. Nicht erst, wenn der Flieger in Kinshasa statt Chicago gelandet ist.
    Du musst also gleichzeitig Pilot und auch Copilot sein und dir gleichsam selbst über die Schulter schauen. Dich selbst mit einer gewissen Distanziertheit beobachten und dich ständig fragen: »Moment mal, tue ich das gerade nur, weil es jemand von mir erwartet? Oder weil jemand das Gegenteil von mir erwartet? Will ich das wirklich, was ich gerade mache? Will ich mit den Folgen leben?«
    Wenn du merkst, dass du gerade dabei bist, abzudriften, brüllst du am besten: »My aircraft!« – »Es ist mein Leben!«
    »My aircraft! Es ist mein Leben!«
    Wenn du in deinem Inneren weißt, dass du in deinem Leben auf der falschen Flugroute unterwegs bist, dann hat sich dein Pilot in einen fremdgesteuerten Zombie verwandelt, der mit starrem Grinsen im Cockpit sitzt und so aussieht, als würde er noch alles im Griff haben. Doch er hat keinen Blick mehr für die Instrumente. Er checkt nicht, dass rote Warnleuchten blinken. Schlecht, wenn dann der Copilot in dir versagt, wenn er sich nur nervös umschaut und sagt: »Merkt das denn keiner?« Wenn er seinen Job nicht macht – den Piloten aus seiner Funktion kicken und die Maschine übernehmen –, dann wird sich zwischen den wirbelnden Massen grauer Wolken allmählich eine massive Bergflanke abzeichnen. Das Flugzeug wird in den Fels einschlagen, noch während sich der Copilot an seinem Sessel festklammert und denkt: »Jemand sollte etwas tun – dringend!«

    Wann ist es wichtig, dass der innere Copilot zum Einsatz kommt? Nicht bei der Frage, ob es im Urlaub nach Korsika oder Sardinien geht. Oder ob ich im Restaurant Menü 1 oder 2 nehme. Das ist Kleinkram. Es geht um die Entscheidung, ob ich die Schule zu Ende mache, ob ich mich selbstständig machen oder lieber monatlich einen Gehaltsscheck in meinem Postfach vorfinden will. Der Copilot wird auch nicht aktiv, wenn es um die Frage geht, ob du diesen Sonntag zu Tante Erna rausfährst oder nicht. Nein, es geht darum, ob du sie überhaupt besuchen willst, ob sie ein Teil deines Lebens sein soll. Wenn ja, dann ist es gut. Dann besuch sie und bring ihr einen dicken Strauß Blumen mit. Wenn nein, ist es auch gut. Dann fahr aber auch nicht mehr hin und verschwende deine Zeit damit, dauernd daran zu denken, was du eigentlich viel lieber machen würdest.
    Du musst nicht Psychologie studieren, weil

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