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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: GABAL Verlag
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der Berufsberater dir das empfiehlt. Du musst nicht Buddhist werden, weil das gerade cool ist. Du musst auch keine Träume aufgeben, weil dir irgendjemand sagt: »Das schaffst du nicht.« Du selbst hast den Hammer in der Hand, um dein Glück zu schmieden. Lass niemals andere über dein Leben bestimmen!
    Ich nehme nur noch Ratschläge an, die mir gefallen.
    Diese Haltung ist weder überheblich noch arrogant. Ich glaube nicht, dass ich klüger bin als alle Menschen, die meinen, mir Ratschläge geben zu müssen. Trotzdem nehme ich nur noch Ratschläge an, die mir gefallen. Denn ich weiß, dass ich mich selbst am besten kenne und sehr genau einschätzen kann, was zu mir passt – und was nicht. Warum sollte ich also tun, was ein anderer von mir erwartet, auch wenn er sagt, dass er nur mein Bestes will? Warum sollte ich auf die Meinung eines anderen hören, wenn er doch gar nicht wissen kann, wo ich wirklich hinwill?
    Ich weiß, dass ich es bin, der ganz allein die Verantwortung dafür trägt, dass mein Leben einen Sinn hat. Und dass ich niemals, niemals eine wichtige Entscheidung einem anderen überlassen darf. Ich entscheide, ob ich der Pilot in meinem Leben werde oder nicht.

    »M, X, O, N, Z, E …«
    Ich sitze beim Augenarzt und lese durch verschiedene Linsen die Buchstaben vor, die an die Wand projiziert werden. Er notiert sich die Werte und sagt zum Schluss: »Na ja, ein Adler sind Sie nicht gerade, aber so schlimm ist es auch nicht. Mit der richtigen Brille kommen Sie auf 95 Prozent Sehkraft, und es gibt ja auch noch die Möglichkeit, die Augen lasern zu lassen.«
    Ich wage nicht zu atmen. »Wie sind die Werte genau?«
    »Rechts minus 2,25 Dioptrien, links minus 1,5 Dioptrien, dazu links ein Astigmatismus von -1,25 Dioptrien mit einer Achse von 70 Grad.«
    In den letzten Wochen habe mich schlau gemacht: Viele Airlines haben einen Grenzwert von drei Dioptrien, die Lufthansa sogar einen Grenzwert von dreieinhalb. Und da liege ich drunter. Die Gefühle laufen Amok. So viel Zeit verloren und so viel Glück, dass es nun doch noch klappen wird. Ich fange an zu lachen – eine echte Übersprungshandlung.
    »Was ist so komisch?«
    Ich kann es ihm nicht sagen. Es ist auch nicht komisch. Es ist nur ein erstes vorsichtiges Erfassen, dass hier in diesem Moment sich mein Leben grundlegend verändert hat. Denn ich weiß, dass ich endlich Profi-Pilot werde.
100 Landungen und der Boden der Tatsachen
    Wenn eine Entscheidung ansteht, grübeln die meisten Leute lange nach, analysieren, wägen ab, listen für jede Variante Pro und Contra auf. Sie befragen die Freunde, die Familie, die Bekannten und die Frau hinter dem Postschalter, bilden dann die Quersumme aus den verschiedenen Ratschlägen, destillieren die Quintessenz heraus. – Blödsinn. Bringt nichts.
    Die ganzen rationalen Abwägungen dienen nur als Deckmäntelchen für etwas, was ich sowieso schon weiß. Mein Gehirn hat sich schon längst entschieden anhand meiner früheren Erlebnisse und meiner Prägungen, die tief in seine Windungen eingegraben sind. Ich muss nur darauf hören. Meine Sinne darauf konzentrieren, was mein Körper mir mitteilt.
    Wenn sich der rote Alfa Spider, der beim Händler im Fenster ganz vorne steht, in meine Gedanken gefressen hat und ich beim Probefahren merke, dass mir ein Mühlstein im Magen liegt, weiß ich: Das ist nicht das Richtige für mich. Weg damit! Wenn ich mit einer Frau zusammenziehen will und an den nächsten Tagen mit dröhnenden Kopfschmerzen aufwache, dann sollte ich das Vorhaben dringend noch einmal überdenken. Wenn ich ein Ladengeschäft mieten will und mein Herz schon beim Betreten groß und frei wird, dann muss ich sofort zugreifen.
    Körperliche Reaktionen werden vom Gehirn gesteuert, nur halt nicht vom rationalen Bewusstsein. Es sendet mir Signale – die Psychologie nennt sie »somatische Marker«: Kopfschmerzen, Übelkeit, Bauchschmerzen, Verspannungen, Verdauungsstörungen als Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt; Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch als Zeichen für eine gute Idee.
    Hör also auf deinen Bauch. Du musst nur den ganzen »Aber – wenn – man erwartet doch«-Störfunk ausblenden. Je öfter man das macht, desto leichter fällt das.
    Aber kann man sich auf Bauchentscheidungen wirklich verlassen? Da kann doch so viel schiefgehen …

    Das Fahrwerk der Piper kracht auf den Boden, der Rumpf ächzt in den Nähten, als die Maschine über die Landebahn hoppelt wie ein Kaninchen auf Brautschau. Mir zieht es

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