Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
nicht, dass es prinzipiell aussichtslos ist, Konflikte und Missstände in Krisengebieten lösen zu wollen. Es gibt schließlich genug Beispiele für Auseinandersetzungen, die beigelegt wurden. Nordirland war vor nicht allzu langer Zeit noch ein mörderisches Pflaster. Aber die Kontrahenten sind müde geworden. Ende Juli 2007 beendete die britische Armee nach 38 Jahren ihren Einsatz in Nordirland und die paramilitärischen Organisationen – Katholiken wie Protestanten – erklärten den Gewaltverzicht. Klar, manchmal spinnen auch heute noch ein paar Unbelehrbare herum und versuchen, die wachsende Anzahl der Friedfertigen zu provozieren. Doch Belfast war schon lange nicht mehr in den Schlagzeilen.
Auch Deutschland und Frankreich bieten so ein Beispiel. Beide Nationen sind heute die großen Player in Europa, sorgen für wirtschaftliche Stabilität und tragen die europäische Gemeinschaft auf den Schultern. Mitterrand und Kohl, Merkel und Sarkozy haben Freundschaften auf politischer Ebene gepflegt, jede größere Gemeinde oder Stadt in Deutschland ist stolz auf eine französische Partnergemeinde. Lindau am Bodensee pflegt beispielsweise zu Chelles östlich von Paris eine geschätzte Partnerschaft. Und all das, obwohl die Geschichtsbücher voll sind von Kriegen, obwohl allein die Nennung des Namens Verdun einem heute noch Grausen bereitet. Ja, Konflikte sind lösbar. Und es braucht Menschen, die daran glauben.
Diejenigen, die nicht aufhören wollten, daran zu erinnern, dass die Teilung Deutschlands sowohl in der Verfassung der DDR als auch im Grundgesetz der Bundesrepublik als Provisorium gedacht war, wurden ausgelacht. Leute wie Axel Springer, Franz Josef Strauß, Theo Waigel, Helmut Kohl haben dennoch weiter an die Machbarkeit einer Wiedervereinigung geglaubt. Auf einmal war die Mauer weg.
Wenn du nicht an die Machbarkeit glaubst, wird es nie einen ersten Schritt geben. Wie sollst du ihn auch machen, wenn du dir nicht vorstellen kannst, wie es geht!
Meistens fehlt es nur an Durchsetzungswillen. An der Erkenntnis, dass man selbst es ist, der das Heft in der Hand hat. Wer sich nur als Opfer der Umstände sieht, kommt nicht auf die Idee, dass er die Dinge ändern kann. Meiner Erfahrung nach geht es zum Beispiel vielen Mitgliedern der Bäckerinnung so.
Wenn ich Schrott haben will, dann nehme ich den für 13 Cent und nicht den für 17 Cent.
Die Bäcker sind ein schwer gebeutelter Berufsstand. Um kostengünstiger produzieren zu können, greifen sie auf vorgefertigte Teiglinge aus Polen oder der Ukraine zurück. Die werden aus der Tiefkühlkammer geholt, in den Ofen gesteckt und voilà – da ist es, das Sonntagsbrötchen. Oder es kommen nur noch Fertigbackmischungen mit Zutaten von Boehringer Ingelheim in die Backstube. Die werden mit Wasser angerührt – dann hat der Bäcker wenigstens noch einen Teig in den Händen. Kostengünstiger ist das, aber mit den Preisen der Billig-Ketten kann unser Bäcker deswegen noch lange nicht mithalten. Aber warum wundert sich so ein Bäcker dann darüber, dass seine Kunden beim Discounter kaufen? Ist doch alles derselbe Schrott. Wenn einer Schrott haben will, dann nimmt er den für 13 Cent und nicht den für 17 Cent. Und die, die handwerklich gefertigte Brötchen für 42 Cent das Stück kaufen, kommen sowieso nicht mehr. »Was soll ich denn machen?«, jammert dann der Teigling-Bäcker.
Es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten. Es gibt immer eine Alternative. Eins ist klar: In einer Preisschlacht kann kein Bäcker gegen einen Discounter gewinnen. Also müssen die Bäcker das bieten, was der Discounter nicht kann: Handwerk zum Beispiel. Bäckereien wie die Fidelis-Bäckerei im Allgäuer Wangen machen es vor. Hier wird nur handwerklich gebacken. Das ist zwar aufwendiger, als Packungen von Bäko aufzureißen, aber es lohnt sich. Plötzlich hast du Brötchen in der Tüte, die du eben nicht genauso in Hamburg, München oder Castrop-Rauxel kriegst. Und beim Fidelis-Bäck stehen die Kunden Schlange vor der Tür. Ich weiß das, denn ich stehe da auch oft an.
Die deutschen Winzer sind den Bäckern da schon 15 Jahre voraus. Noch in den Achtzigern haben sie kaum etwas anderes als Plörre hergestellt. Damals war deutscher Wein noch der Inbegriff des Massenweins. Riesling edelsüß, manchmal mit ein bisschen Extra-Süße aus der Fabrik aufgemotzt, beherrschte die Szene. Die Großabnehmer der Winzer waren Aldi und Tengelmann. Es gab ein paar gute Gewächse, aber das waren die Geheimtipps, an
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