Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
gedrückt. Innerhalb von wenigen Sekunden verliert es 1000 Fuß an Höhe. 300 Meter. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist – nicht verstautes Handgepäck, Smartphones, Bücher –, fliegt durch die Kabine. Cateringwagen reißen sich los und krachen gegen die Sitzreihen. Fluggäste, die nicht angeschnallt sind, haben wenig Chancen. Sie werden, wenn sie sich nicht festkrallen können, aus den Sitzen geschleudert. Nach ein paar Sekunden ist alles vorbei. Das Flugzeug ist wieder unter Kontrolle, doch die Kabine sieht aus wie ein Schlachtfeld. Die Ärzte unter den Passagieren kümmern sich um die 45 Verletzten. Das Kabinenpersonal räumt auf.
Im Gurtmodus unterwegs
Allein in der Zeit zwischen 1981 und 1996 lösten starke Luftturbulenzen mindestens 252-mal Unfälle im Passagier- und Frachtverkehr aus. Insgesamt 863 Fluggäste wurden leicht verletzt, 63 schwer. Zwei Passagiere starben. Neuere Zahlen sind kaum zu bekommen, denn die Fluggesellschaften sprechen nicht gerne über die unsichtbare Gefahr. Verständlich, denn wer will schon seine Kunden verschrecken?
Buchstäblich aus dem Nichts heraus spielt das Flugzeug verrückt.
Doch das Problem bleibt: Keine drohende Wolkenformation weist einen Piloten auf eine Clear Air Turbulence hin. Er sieht nur klare, blaue Luft – und buchstäblich aus dem Nichts heraus spielt das Flugzeug verrückt. In eine heftige CAT zu geraten ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber es kommt vor. Deshalb sehen es die Fluggesellschaften gerne, wenn ihre Fluggäste auch dann den Gurt weiter geschlossen halten, wenn das »Bitte anschnallen«-Schild nach dem Start erloschen ist. Das ist eine Frage der Fürsorge für den Fluggast. Und der Haftungsrisiken.
So wie einem Passagier im Flugzeug kann es auch dir im Leben gehen: Wenn es darauf ankommt, bist du nicht angeschnallt. Da kannst du es dir noch so gemütlich auf deinem Fensterplatz eingerichtet haben, die kleinen und die großen Schicksalsschläge hauen dich doch aus dem Sessel.
Aber du solltest dir auch dessen bewusst sein, dass es Situationen gibt, in denen du besser
nicht
angeschnallt bist! Ich weiß, dass diese Ansicht nicht sofort auf Gegenliebe stoßen wird. Ich will sie erklären. Die Frage dieses Kapitels ist, was genau dich davon abhält, die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt zu treffen. Wenn du die Antwort auf diese Frage finden willst, solltest du erst einmal darüber nachdenken, warum du dich im Auto anschnallst. Und warum du dich während des Fluges von deinem Gurt gar nicht mehr trennen magst – jetzt, wo du über die Sache mit dem CAT Bescheid weißt.
Ein Gurtschloss gibt dir Sicherheit, es kann dein Leben retten. Wenn du dich anschnallst, minderst du das Risiko, dich in einer Gefahrensituation zu verletzen. Das gilt nicht nur für Flugzeug, Auto und Achterbahn. Sobald du eine Versicherung abschließt, wenn du in eine Kranken- oder Rentenkasse einzahlst, wirkt sich das auf dein Leben genauso wie ein Gurt aus: Du sicherst deine Existenz.
Es gibt so vieles im Leben, über das du keine Kontrolle hast; jederzeit kann dich Unvorhergesehenes aus der Bahn werfen. Wer sorgt für dich, wenn eine plötzlich auftretende Krankheit dich für ein halbes Jahr von der Bildfläche verschwinden lässt? Wie kannst du dann deine Miete weiter zahlen? Gut, wenn du rechtzeitig für den Fall der Fälle vorgesorgt und eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hast. Dann musst du dir zumindest um das Finanzielle keine Sorgen machen. Mit einem Gurt verlieren viele Unwägbarkeiten ihren Schrecken und du bekommst maximale Kontrolle über dein Leben.
Auch auf staatlicher Ebene wird vorgesorgt. Es ist ja vernünftig, dass in den Fluren aller öffentlichen Gebäude Feuerlöscher hängen. Die Vorsorge des Staates geht noch viel weiter. Da gibt es zum Beispiel in Deutschland die rund hundert im gesamten Bundesgebiet strategisch verteilten Vorratslager, in denen tonnenweise Getreide, Trockenmilchpulver und andere haltbare Lebensmittel gelagert werden. 15 Millionen Euro kostet es pro Jahr, die Nahrung, die die Bundesbürger im Notfall über Wochen versorgen kann, zu lagern und turnusmäßig je nach Haltbarkeit zu ersetzen. Bislang sind all diese Lebensmittel nur dreimal zum Einsatz gekommen: 1986 nach Tschernobyl wurden 1000 Tonnen Milchpulver verteilt, und bei den akuten Hochwasserereignissen der Jahre 1997 und 2002 wurden ebenfalls Lebensmittel ausgegeben. Lohnt sich der Aufwand von umgerechnet 20 Cent pro Bundesbürger und Jahr?
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