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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: GABAL Verlag
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Ganz klar: Ja. Er lohnt sich! Es gibt ein richtig gutes Gefühl zu wissen, dass es da eine Lösung für den Notfall gibt.
    Faszinierend, was sich Menschen einfallen lassen, um Risiken zu vermeiden
    Eine Risikoabsicherung, die mich besonders fasziniert, ist folgende: In Zeiten des Kalten Krieges fürchtete die deutsche Regierung, dass der Ostblock das Bundesgebiet mit Falschgeld überschwemmen könnte, um die Wirtschaft schlagartig zu destabilisieren und ein Chaos heraufzubeschwören. Schließlich soll schon Lenin gesagt haben: »Wer eine Gesellschaft zerstören will, muss ihre Währung ruinieren.« Die Bundesbank ließ sich einen besonderen Kniff einfallen, um diesem Risiko zu begegnen. 1963 zirkulierten in der damaligen BRD Geldscheine im Wert von rund 25 Milliarden DM, und so wurden kurzerhand 25 Milliarden DM an »Zweitgeld« hergestellt. Die Scheine waren den offiziell gültigen Geldscheinen ähnlich, hatten aber zum Beispiel deutlich geänderte Rückseiten. Falls der Feind im Osten tatsächlich versucht hätte, die BRD mit Massen an Falschgeld zu destabilisieren, hätte das gebunkerte Geld der Serie BBk II sofort eingesetzt werden können. Erst ab Ende der Achtzigerjahre wurde das Ersatzgeld nach und nach geschreddert und verbrannt. Der Ostblock war zerfallen und die ab 1990 gültige neue Banknotenserie war so fälschungssicher, dass die Scheine ihren Zweck verloren hatten.
    Ich finde es spannend, was sich Menschen einfallen lassen, um Risiken möglichst auszuschließen – auf persönlicher, wirtschaftlicher und auch gesellschaftlicher Ebene. Jede Maßnahme, möglichen Risiken schon im Vorfeld die Zähne zu ziehen, wirkt wie ein kleiner Sicherheitsgurt.
    Auch mental sind wir mit einem Sicherheitsgurt unterwegs. Er bewahrt uns davor, vorschnell zu handeln.
Hals über Kopf
    Am 28. Juni 2012 wurde im Deutschen Bundestag ein neues Meldegesetz verabschiedet. In der ursprünglichen Fassung war vorgesehen, dass Bürger erst prinzipiell zustimmen müssen, wenn Meldeämter und Kommunen ihre Daten an Dritte weitergeben wollen. Verabschiedet wurde aber das Gesetz, dass die Bürger, wenn sie die Weitergabe der Daten nicht wollen, aktiv Widerspruch einlegen müssen. Auf einmal wurde also dem Bürger die Bringschuld zugeschustert! Klamme Kommunen hätten die wertvollen Daten ihrer Einwohner ab 2014 an private Adresshändler verkaufen können – mit der Folge, dass noch mehr Werbematerial im Postkasten liegt. Dass es Lobbyisten gibt, denen an dieser Version des Gesetzes gelegen war, ist klar. Doch warum sind die Datenschützer der Parteien nicht dazwischengegrätscht? Wie kam es zu dieser offensichtlichen Fehlentscheidung, gegen die, kaum dass sie publik wurde, parteiübergreifend gewettert wurde? Ganz einfach: Das Plenum war fast leer, die Debatte dauerte genau 57 Sekunden, die Anwesenden wollten das EM-Spiel Deutschland gegen Italien sehen. Schnell, schnell mal ein Gesetz beschließen – das kann eben nicht gut gehen! Übrigens: Nur wenig später kippte der Bundesrat den Unsinn kurzerhand. Der Bundestag hatte versagt, mit seiner Hopplahopp-Aktion hätte er fast eine wichtige Entscheidung versemmelt. Gut, dass der Bundesrat hier seine Aufgabe als zusätzlicher Sicherheitsgurt etwas ernster genommen hat.
    Es ist sinnvoll und vernünftig, nicht überstürzt zu entscheiden. Kein vernünftiger Mensch würde nach einem Streit mit der Biologielehrerin wegen einer ungerechten Note sein Kind auf einer anderen Schule anmelden. Oder auf die Schnelle einen Urlaub buchen, wenn er noch nicht einmal sicher ist, ob er in der Woche auch wirklich frei nehmen kann. Lieber also noch einmal eine Nacht darüber schlafen, ein paar mehr Informationen sammeln, die Konsequenzen ein weiteres Mal überdenken, bevor man eine Entscheidung trifft.
    Bei der Bundeswehr ist das ganz gut geregelt: Beschwerden aller Art können erst am folgenden Tag zur Meldung gebracht werden. Über Nacht aber relativiert sich vieles, und die Beschwerdestelle erspart sich viel Arbeit. Denselben Effekt hat es, wenn du nach einem heftigen Streit erst mal eine Runde an der frischen Luft spazieren gehst, bevor du aus dem Affekt heraus deinem Geschäftspartner die Zusammenarbeit aufkündigst.
    Das Gegenteil von vorsichtiger Absicherung ist Spontaneität. Die kann ja ganz schön sein, ist aber auch anstrengend. Auch ich habe mich schon in Projekten engagiert, von denen ich mir wünschte, es nie getan zu haben. Als ich mich einmal in ein Immobilienprojekt einkaufte, hat mich kein

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