Huebsch in alle Ewigkeit Roman
war witzig.«
Lulu hatte uns erklärt, dass man niemals mit einem Pulsschläger zweimal schlafen und sich vor allem unter keinen Umständen verlieben sollte. »Das gibt nur einen Riesenhaufen Ärger«, hatte sie uns gewarnt. Und wir halten uns daran. Eisern.
Es ist sowieso selten, dass wir unsere Affären von früher treffen, denn wir achten sehr genau darauf, nicht zu oft in dieselben Discos und Bars zu gehen. Wir haben eine Art Rotationsprinzip, das uns jedes Jahr in neue
Läden treibt. Und wenn man die Clubs häufig genug wechselt, dann ist die Gefahr, dass man Bekannte von früher trifft, sehr gering. Denn die Typen, die wir in unseren Kölner Anfängen kennengelernt haben, sind schon lange verheiratet oder müde vom Arbeiten und können gar nicht mehr auf die Rolle gehen. Die Welt dreht sich um uns herum, nur für uns bleibt die Zeit stehen. Wir beobachten, wie sich das Stammpublikum ständig erneuert, wie Generationen aus dem Ausgeh-Alter rauswachsen und durch jüngere ersetzt werden. Wir erleben, wie Discos schließen und neu eröffnet werden, wie sich die Mode verändert, und die Musik. Die Szene ist in einem ständigen Wandel, und wir sind mittendrin, für immer jung, hübsch und partywütig. Das ist wirklich fantastisch! Denn so ist auch garantiert, dass wir keine Leute treffen, die sich über unser gleichbleibendes Aussehen wundern und eventuell Verdacht schöpfen können - oder gar unsere Tarnung auffliegen lassen. Denn das wäre natürlich fatal. Am Anfang haben wir uns darüber noch mehr Sorgen gemacht, aber mittlerweile können wir über Edes Warnung fast lachen. Welcher alte Bekannte sollte uns denn nach über zwei Jahrzehnten in einer Kölner Diskothek mit einem Durchschnittsalter von dreiundzwanzig Jahren schon über den Weg laufen? Die sind doch alle jenseits der vierzig und gehen garantiert nicht mehr aus!
»Komm«, sage ich zu Vivian, »lass uns mal runter zur Tanzfläche gehen.«
Wir drehen uns um, da steht eine alte aufgebrezelte Tussi vor uns.
»Vivian?«, sagt die Tussi.
»Lady Shave!«, ruft Vivian. »Äh, ich meine, Sandra!«
Paff. Ich kippe fast aus meinen Latschen. Da steht doch tatsächlich die leibhaftige Sandra Albrecht vor uns! Keine Armlänge von uns entfernt, meine Erzfeindin von einst. Und ich kann mit Fug und Recht behaupten, auch noch von heute. Denn sobald ich sie erkannt habe, ist alle Abscheu wieder da. Aber natürlich bin ich viel cooler als damals. Und dünner!
Es beginnt die gegenseitige Ganzkörpermusterung. Sie hat ihre blonden Haare mit hässlichen schwarzen Strähnen verschandelt (Peinlich! Wie Christina Aguilera in Dirrty! ) und einen dieser dämlichen Ponys, die auf Wimpernhöhe geschnitten sind, was mich total nervös macht, weil die Haare von jedem Augenaufschlag angehoben werden und ich immer denke, das muss doch in die Augen pieken. Sie trägt einen Minirock und ein Spaghettiträger-Top mit Hello-Kitty-Aufdruck (Lächerlich! Sie ist doch nicht mehr elf!), und man sieht, dass sie jeden Tag Gymnastik macht, denn der Trizeps schlackert kein bisschen. Das Dekolleté ist braun gebrannt, der Hals dünn und sehnig, das Gesicht straff, die Lippen füllig. Keine Falte ziert ihre starre Stirn, die Augen schauen erstaunt wie die eines Karpfens, kurz bevor ihm die Hausfrau den Fleischklopfer auf den Kopf donnert. Nach ungefähr dreißig Sekunden schließe ich den Ganzkörper-Scan ab. Mein Urteil: scheckheftgepflegte Anfang-Vierzigerin mit regelmäßiger Wartung durch den Schönheitschirurgen. Mit Genugtuung stelle ich fest, dass ihr fast die Augen aus dem Kopf fallen, als sie meiner Figur gewahr wird.
Meine Frisur streift sie mit einem Blick und verzieht kurz die Miene, als betrachtete sie den Kadaver eines plattgefahrenen Karnickels. Jede fiese Bemerkung bleibt ihr aber im Halse stecken, als sie unsere Gesichter prüft.
»Wow!«, sagt sie.
»So, wir müssen dann«, sagt Vivian und will mich wegzerren. Aber ich bleibe wie angewurzelt stehen. Ich kann mich einfach nicht sattsehen an der dämlichen Fratze von Lady Shave, als sie bemerkt, dass erstens ihre Prophezeiung über meine Zukunft als Dickwanst kein bisschen wahr geworden ist und dass sie zweitens trotz diverser Operationen gegen unsere Mädchenhaut absolut keine Chance hat. Man sieht sich immer zweimal, denke ich voller Genugtuung.
»Wow!«, entfährt es ihr erneut.
»Das sagtest du bereits«, grinse ich. Ich streife Vivians Hand, die an mir zieht, ab und frage: »Und wie geht’s?«
»Gut, gut so weit«,
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