Huebsch in alle Ewigkeit Roman
Sex.
»Stimmt nicht«, wandte ich ein. »Mode auch!«
»Und Kosmetik!«, rief Vivian.
»Und Shopp…«, wollte ich sagen, aber Lulu unterbrach genervt. »Kinder, hört zu, was Tante Lulu sagt.« Sie erläuterte, dass man am Anfang seines Vampirdaseins noch nicht alle Angewohnheiten seines Menschenlebens abgelegt habe, diese aber immer unwichtiger werden würden.
»Das glaube ich niemals …«, warf Vivian entrüstet ein, aber Lulu rollte mit den Augen und fragte: »Wollt ihr
nun wissen, wie man mit echten Männern Affären haben kann ohne aufzufallen, oder nicht?«
Das brachte uns zum Schweigen.
»Ein Pulsschläger«, fing sie an. »Das sind Männer mit Körperstatus L wie lebendig, weil sie im Gegensatz zu uns einen Puls haben.« Sie kicherte. »Hab ich mir selbst ausgedacht. Cool, was?«
Wir nickten.
»Also, die oberste Regel ist: Der Pulsschläger darf nicht merken, dass ihr Vampire seid. Was nicht so leicht ist. Denn ihr habt ja sicher schon festgestellt, dass man seine Zähne nicht unter Kontrolle hat, wenn man jemanden heiß findet, oder?«
Vivian und ich nickten. Und wie wir das hatten! Ich erinnere mich an einige peinliche Momente aus den Anfängen unseres neuen Lebens, als ich anfing mit jemandem zu flirten und plötzlich die Zähne wuchsen, so dass ich mich mit einer total dämlichen Ausrede (»Mein Bus kommt gleich« - als ob ich zwölf wäre!) aus der Affäre ziehen musste. Seitdem habe ich immer einen Schal oder ein Seidentuch dabei, das ich mir für solche Fälle vor das Gesicht ziehe. Zu unserer großen Erleichterung sagte Lulu, dass die Zähne ein zu bewältigendes Problem seien, schließlich sei die Karnevalshochburg Köln ja nicht zufällig die Vampirhauptstadt Deutschlands.
»Hier sind alle so jeck, da fallen ein paar mehr oder weniger Bekloppte nicht auf«, grinste sie. »Und wenn man sich an den Kalender hält, kann man sich sogar fast normal bewegen und ohne große Verkleidung auf Pulsschlägerjagd gehen.«
Wir hingen gebannt an ihren Lippen. Das hörte sich ja besser an, als wir uns erträumt hatten!
»Am II. II. und von Mitte Januar bis Aschermittwoch, wenn überall in Köln Karnevalssitzungen stattfinden, hat man quasi einen Freifahrtschein, denn an diesen Tagen braucht man keine besondere Ausrede für ein Vampirgebiss«, verkündete sie und wartete auf unser Jubelgeschrei.
»Was? Und den ganzen Rest des Jahres darf man nichts machen?«, fragte Vivian enttäuscht.
»Na ja«, sagte Lulu. »Halloween ist natürlich im Kommen, da geht es mittlerweile auch.«
»Das ist aber nicht gerade viel«, motzte Vivian. »Was meinst du, warum ich dieses schicke Outfit gewählt habe?«, grinste Lulu. »Für mich ist das ganze Jahr Karneval!« Sie ließ ihren Reifrock schwingen.
»Das nützt uns ja nichts«, flüsterte Vivian mir ins Ohr. Erst später fanden wir heraus, dass wir durchaus auch außerhalb der Karnevalssession One-Night-Stands haben können. (Wobei ich ehrlich zugeben muss, dass Vivian in der Hinsicht schon immer viel aktiver gewesen war als ich.) Denn es gibt Läden in Köln, da schießen sich die Gäste mit Billigalk so ab, da könnte man auch eine Pinocchionase und einen Reiner-Calmund-Bauch haben, ohne dass es jemanden stören würde. In Das Ding zum Beispiel tummeln sich massenweise Erstsemester ohne Plan, die für einen Euro pro Kölsch dem Vordiplom entgegenarbeiten. Sie sind leichte Beute. Aber das wussten wir bei unserem ersten Treffen mit Lulu noch nicht und waren natürlich entsetzt.
»Allerdings muss ich erwähnen, dass ich das Wichtigste noch nicht gesagt habe«, seufzte Lulu und wedelte sich mit einem riesigen Fächer Luft zu (ein rein dramatischer Effekt - als ob sie so was wie frische Luft brauchen würde). Wir hingen gebannt an ihren weit über die Konturen hinaus rot angemalten Lippen.
»Koitus interruptus«, rief sie und schloss für einen Moment die Augen, als ob sie von der Trauer um eine tote Erbtante übermannt würde.
»Was?«, fragten Vivian und ich gleichzeitig. Lulu sah uns mit ihren himmelblauen Augen (gefärbte Kontaktlinsen!) an und dozierte mit Grabesstimme: »Der kopulierende Vampir muss jederzeit imstande sein, den Geschlechtsakt mit einem Pulsschläger zu unterbrechen, denn er darf keinesfalls zum Höhepunkt gelangen, da er den Pulsschläger sonst unweigerlich beißen und bis auf den letzten Tropfen aussaugen würde.« Lulu machte eine kleine dramatische Pause. »Klingt gut, nicht? So schreibe ich es in meinem Buch Lulus Liebesratgeber für
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