Huebsch in alle Ewigkeit Roman
ihrem Make-up widmet, tanze ich singend hin und hebe ab. Es ist Ede. Er will wissen, wie wir vorankommen. Da ich überhaupt keine Lust habe, mir den Start in eine lange Partynacht mit einer detaillierten Schilderung über die Machenschaften des Höllenfürsten zu versauen, sage ich nur: »Wir haben zwar schon einiges herausgefunden, aber es ist zu früh, um über Ergebnisse zu sprechen. Wir halten dich auf dem Laufenden.«
Ich will schon wieder auflegen, aber Ede seufzt steinerweichend, und ich mache den Fehler zu fragen, wie es ihm geht. Er fängt an mit einem Sermon über seine Studien zur Astrologie. Einerseits tut er mir leid, weil ich die Einsamkeit zwischen seinen Zeilen heraushöre, andererseits bin ich total abgelenkt von dem Lied »Superjeile Zick«. »Bin ich hück op d’r Roll, nur noch half su doll, doch hück Naach weiß ich nit, wo dat enden soll«, singen Brings. Ich könnte schreien vor Freude! Wir werden feiern bis zum Morgengrauen! Und ich werde meinen Torero treffen! Endlich!
Ede schwafelt weiter über ein extrem seltenes kosmisches Ereignis, das nur alle dreihundert Jahre stattfindet, aber ich höre nur mit halbem Ohr hin, denn Vivian kommt ins Wohnzimmer und präsentiert ihr Kostüm, als ob sie auf einem Pariser Laufsteg wäre. Sie stöckelt mit aufreizendem Hüftschwung durch den Raum in ihrer knöchellangen violetten Pumphose mit silbernen Sternen, einem bauchfreien Top und einem seidenen Fez, der keck schräg auf dem Kopf sitzt und an dem ein halb durchsichtiges Tüchlein angesteckt ist, das ihren Mund verdeckt.
Ich zeige ihr »Daumen hoch«, dann würge ich Ede ab. »Ja ja, das ist wirklich interessant, hör mal, ich muss jetzt los. Wir melden uns!« Ich knalle den Hörer auf die Gabel. »Du siehst fantastisch aus, Suleika, pass auf, dass der Sultan dich nicht in seinen Harem holt«, sage ich.
Vivian kichert. »Da hätte ich nichts gegen. Deine Vampira-Interpretation finde ich aber auch gelungen!«
Ich gehe als sexy Achtzigerjahre-Gothic-Girl und sehe mit schwarzer Korsage, Minilederrock, breitem Nietengürtel und den gefühlten acht Pfund Modeschmuck an Hals, Handgelenken und Ohren ein bisschen aus wie eine düstere Madonna am Anfang ihrer Karriere.
»Like a virgin«, singt Vivian denn auch, als wir die Zülpicher Straße entlanglaufen. Ich falle grinsend in das Lied ein. Auf der Gute-Laune-Skala rangiert meine Stimmung nämlich gerade ganz weit oben. Ich kann sogar mit Fug und Recht verkünden: Heute ist eine der besten Nächte meines untoten Lebens! Vampirkiller, mein Handy im Identitätsregister, der Gemeinschaftsdienst -
alles vergessen! Denn - Trommelwirbel! - meine Frisur passt endlich einmal perfekt zu meinem Outfit! Jippie! Welch unglaubliche Erleichterung! Ich fühle mich wie von einer chronischen Krankheit genesen. In ungefähr dreihundertfünfzig Nächten im Jahr bin ich unangefochten das Mädchen mit der schrecklichsten Frisur und kann absolut nichts dagegen tun. (Und wer sich schon mal über einen Bad-Hair-Day beklagt hat, der wird ahnen können, was es heißt, ein Bad-Hair-Life zu führen!) Und dann - Bingo! - wandelt sich an Karneval mein Schicksal auf einmal um hundertachtzig Grad. Plötzlich bin ich eine Frisurenheldin, ein Haaridol, einfach ein anbetungswürdiges Stylingwunder. Denn die Scheußlichkeit einer original Achtzigerjahre-Frisur ist einzigartig und kann heute gar nicht mehr kopiert werden, selbst wenn man es wollte . Das scheitert unweigerlich an der Weiterentwicklung des guten Geschmacks! Und über das, was der Retrotrend als Achtzigerjahre-Frisuren bezeichnet, kann ich nur müde lächeln. Die sind nicht mal ansatzweise so furchtbar wie meine! Ha! Ich hätte nicht übel Lust, an einem Kostümwettbewerb teilzunehmen, so klasse finde ich mich. Ich kann gar nicht normal gehen, sondern tanze regelrecht die Zülpicher Straße entlang. Auch die Warteschlange vor dem Magnus kann mich nicht schocken. Das ist hier jedes Jahr so. Wir stellen uns hinter ein Känguru, das in Begleitung von Heino und Zeus wartet.
»Bin mal gespannt, als was sich die Königin verkleidet …«, sage ich, da höre ich plötzlich eine bekannte Stimme kreischen: »Kuckuck!«
Mir wird augenblicklich übel. Ich drehe mich um.
Sandra grinst uns mit ihren Schlauchlippen begeistert an. Mein Blick wandert an ihr rauf und runter. Sie trägt ein klassisches Fick-mich-Kostüm mit durchsichtigem Stretch-Top aus schwarzer Spitze, Hotpants und Netzstrümpfen und tut so, als wäre es das Normalste
Weitere Kostenlose Bücher