Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
legen.
Julia paradierte in dem neuen Pulli vor dem Garderobenspiegel auf und ab, probierte, ob das Goldkettchen von Opa besser dazu paßte oder der metallene Modeschmuck, den Tobias ihr geschenkt hatte und der ein bißchen wie aufgereihte Gewehrkugeln aussah, während Florian sich in die dunkelblaue Wolljacke zwängte, mißtrauisch von Tinchen beäugt. Etwas sehr eng war sie ja ausgefallen, und mit den Ärmeln stimmte auch einiges nicht. »Ja, ich weiß, der rechte ist aus Versehen ein Stück länger geworden, aber wenn man sie hochschiebt, fällt das gar nicht auf. Du schiebst sie doch hoch, nicht wahr, Florian?« fragte Tinchen drohend.
»Ich dachte, eine Jacke soll wärmen.«
»Aber doch nicht die Handgelenke, da friert man nie.« Sie begann, das zerknüllte Papier zusammenzusuchen. »Könnte ja sein, daß noch etwas drunterliegt.« Ein vorwurfsvoller Blick traf Florian, aber der ignorierte ihn standhaft. Immerhin hatte sie schon ihren Bikini ausgepackt, sehr schön gefunden, nur leider für die Jahreszeit nicht recht geeignet. »Den hättest du bis Ostern aufheben sollen. Im Moment brauche ich viel dringender einen warmen Pullover.«
»Weihnachtsgeschenke müssen nicht immer nützlich sein, man kann sich doch auch mal über etwas weniger Nützliches freuen.«
»Na schön, dann freue ich mich im Sommer darüber.«
Florian fühlte sich unbehaglich. Seine ganze Strategie klappte nicht. Weder hatte Tinchen den eng zusammengerollten Briefumschlag entdeckt, den er mit Klebeband im Oberteil des Bikinis befestigt hatte, noch hatten die Kinder ihre Schallplatten aus den Hüllen gezogen, wobei zwangsläufig die Kuverts mit herausgefallen wären.
»Habe ich denn wenigstens euren Geschmack getroffen?«
»Meinen nicht«, sagte Julia, »ich stehe auf Rick Astley und nicht auf Michael Jackson. Schadet aber nichts, Paps, nächste Woche hat Billie Geburtstag, da hätte ich sowieso etwas kaufen müssen. Das Geld kann ich mir jetzt sparen.«
»Hast du denn schon mal nachgesehen, ob die Platte auch einwandfrei ist? Keine Kratzer drauf oder so?«
»Warum sollen da Kratzer drauf sein?« fragte sie erstaunt. »Aber wenn es dich beruhigt …«
Florian gab seinem Schwager einen verstohlenen Wink. Plötzlich brach die einlullende Hintergrundmusik ab, und ein lautes »Jambo! Jambo, bwana, habari gani …« kam aus dem Plattenspieler.
»Stell das sofort ab, Karsten!« Mit gequälter Miene hielt sich Frau Antonie die Ohren zu. »Diese Musik ist nun wirklich in höchstem Grade unpassend!«
»Abwarten«, sagte Herr Pabst.
Inzwischen hatte Julia den Briefumschlag entdeckt. »Endlich bist du vernünftig geworden, Paps. Ein Scheck ist nämlich viel besser als so ’n Verlegenheitsgeschenk.«
Da Tinchen keine Anstalten machte, ihren Bikini anzuprobieren, holte Florian die Einlage heimlich wieder heraus, strich das Kuvert glatt und überreichte es mit einer förmlichen Verbeugung. »Für dich, Tinchen.«
Tobias bekam auch eins. Von Opa.
»Was glaubst du, Mami, wieviel hat er ausgespuckt?«
Mit dem noch verschlossenen Umschlag in der Hand lugte Julia über Tinchens Schulter. »Was denn, kein Scheck?« Ein bißchen enttäuscht sah sie zu, wie ihre Mutter einen DIN-A4-Bogen entfaltete. »Na ja, ein Gutschein ist auch nicht schlecht.« Schnell öffnete sie ihr eigenes Kuvert. Mit dem Briefkopf KTK – Kenia-Touristik-Klub konnte sie nicht viel anfangen, die aufgeklebte Palme, mit der Florian den Preis verdeckt hatte, nahm sie gar nicht wahr, und die aufgelisteten Daten und Zahlen sagten ihr überhaupt nichts. »Verstehe ich nicht. Was soll das?«
Der Weihnachtsbaum kam mächtig ins Wackeln, als Tobias plötzlich die Arme hochriß. »Ich werd’ verrückt! Wir fliegen nach Kenia!!!« Aufgeregt hielt er seiner Schwester die Buchungsbestätigung unter die Nase. »Da, lies doch, du dummes Huhn! Hier ganz unten steht es: Bender, Florian – Bender, Ernestine – Bender, Tobias – Bender, Julia.«
»Steht da wirklich Ernestine?« fragte Tinchen empört, weil sie noch immer nichts begriffen hatte. »Ihr wißt doch, daß ich diesen Namen nicht leiden kann. Warum steht da nicht Tina?«
»Weil in deinem Paß nun mal Ernestine eingetragen ist, und den brauchst du für die Reise.« Lachend umarmte Florian sein Tinchen. »Freust du dich wenigstens?«
Doch, sie freute sich. Ganz langsam von innen heraus. Erst kribbelte es im Bauch, und dann war sie plötzlich da, die ganz große Freude. »Richtigen Urlaub, Flori, mit Sonne und Meer und
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