Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
sie einen Schritt weiterging. »Gott sei Dank, daß du da bist, Vati, jetzt kannst du mich zum Speisesaal bringen.«
»Da komme ich ja gerade her.«
»Habt ihr etwa schon gegessen?«
»Nee, ich will mir andere Schuhe anziehen.«
Der Lichtstrahl wanderte abwärts. »Meine Güte, wo hast du die denn ausgegraben? Mit so was ist Luis Trenker zum erstenmal aufs Matterhorn gestiegen.« Sie hakte ihn unter. »Doch erst bringst du mich rüber, ja?«
»Hast du Angst, du könntest dich verlaufen?«
»Blödsinn, aber das Mädchen in der Hütte neben uns hat mir erzählt, daß hier gestern eine schwarze Mamba gesehen worden ist. Wenn die dich erwischt, kannst du den Löffel abgeben.«
»Ach so, und deshalb soll ich jetzt für dich den Pfadfinder spielen? Verrechne dich bloß nicht, zur Zeit würdest du nur Schulden erben.« Er grinste. »Ich glaube, unter diesen Aspekten behalte ich meine Stiefel doch lieber an.«
Das Abendessen verlief recht vergnügt, besonders für Tobias, der heftig mit seinem Visàvis flirtete. Schon im Flugzeug war ihm die hübsche Brünette aufgefallen, nur hatte er nicht zu hoffen gewagt, sie näher kennenzulernen. Hinter ihr hatte so ein Oberammergauer Reservechristus gesessen mit schulterlangen Haaren und ebensolchem Bart, der unentwegt Erdnüsse gekaut und sich zwischendurch die Fingernägel gesäubert hatte; ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen übrigens, denn der Dreck hatte auch nach einer Stunde immer noch bombenfest gesessen. Ab und zu hatte er seiner Vordermännin etwas ins Ohr gebrüllt, doch Tobias hatte nicht herausfinden können, ob es sich nun um Zärtlichkeiten gehandelt hatte oder lediglich um die Frage, wohin er mit den Erdnußschalen sollte. Nach der Landung hatte er sie auf dem Sitz liegenlassen.
Vorhin hatte Tobias das Mädchen im Speisesaal erblickt, und beim gemeinsamen Begutachten des Büfetts war man sich nähergekommen. Er hatte ihr den Käse links oben empfohlen, und sie wiederum hatte ihn darauf hingewiesen, daß die Erdbeeren noch nicht ganz reif seien und zuwenig Aroma hatten. Seine vorsichtige Frage, ob sie denn ganz allein hier sei, hatte sie offengelassen, und da der Erdnußrobinson nirgends zu sehen war, hatte Tobias sie einfach an den Tisch geholt. Ohnehin war er für zehn Personen gedacht, und das mümmelnde Ehepaar ganz am Ende der Tafel versprach wenig Abwechslung.
Gaby hieß die dunkelhaarige Schöne, war achtzehn Jahre alt und stammte aus Krefeld. Letzteres registrierte Tobias mit besonderer Aufmerksamkeit, war doch Krefeld quasi ein Vorort von Düsseldorf und mit der Straßenbahn mühelos zu erreichen, falls die Ente mal wieder mangels Benzin bis zum nächsten Taschengeldempfang in der Garage bleiben mußte.
Tinchen erschien das Mädchen reichlich unbedarft. Es plapperte zwar munter drauflos, doch was es da aus dem herzigen Kußmäulchen herausbrabbelte, war oberflächliches Geschwafel. Verkäuferin in einem Schuhgeschäft sei es, habe sogar schon mal Heidi Kabel bedient. Gleich drei Paar hätte die gekauft und sei furchtbar freundlich gewesen, gar nicht eingebildet oder hochnäsig, und am Schluß habe sie sich auch noch für die aufmerksame Bedienung bedankt. Da gäbe es ja ganz andere Kunden, die Frau von dem Fabrikbesitzer, die sich immer die ganze neue Kollektion zeigen ließe und dann doch nichts kaufe …
»Was findest du bloß an der?« fragte Julia, als Gaby zum drittenmal das Dessertbuffet ansteuerte. »Die ist doch geistig unterbelichtet. Und mit so was gibst du dich ab?«
»Lieber amüsiere ich mich unter meinem Niveau, als mich auf einem höheren zu langweilen«, gab er zur Antwort. »Aus dir spricht nur der Neid der Besitzlosen, seitdem sich dein Taucherteil umorientiert hat. Wollte der nicht ursprünglich mitkommen?«
»Die Gewißheit, dir anderthalb Tage lang nicht aus dem Weg gehen zu können, hat ihn davon abgehalten.« Sie legte ihre Serviette zusammen und stand auf. »Ich gehe jetzt zur Futterstelle. Kommt jemand mit?«
Nur Tobias blieb sitzen. Er wollte noch warten, bis Gaby den Schokoladenpudding fertiggelöffelt hatte, dann würden sie nachkommen.
Das ganze Hotelgelände mußten sie durchqueren und auch noch ein Stückchen den künstlich aufgeschütteten Hügel hinauf. Auf halber Höhe hatte man das sonst dicht wuchernde Gebüsch ausgespart, so daß sich ein ungehinderter Blick auf die zwanzig Meter tiefer liegende Grasfläche bot. Und dort, angestrahlt von verborgenen Scheinwerfern, waren Fleischköder ausgelegt. »Ob
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