Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Möglichkeit zuließ. Wo soll man in einem runden Zimmer einen Schrank unterbringen? Eingebaute Nischen mit Fächern drin gab es, eine kurze Kleiderstange sowie ein kommodenartiges Möbel, das gleichzeitig als Tisch diente. Zwei Stühle standen auch noch herum. Über den auseinanderliegenden Betten angebrachte Bretter ersetzten die Nachttische – Kerzen standen ebenfalls bereit –, und als Zierde hatte jemand ein wunderbar ebenmäßiges Spinnennetz auf die weißgetünchte Wand gemalt. Erst spätabends, als Tinchen mit ihrem Latschen auf Moskitojagd ging, stellte sie fest, daß es sich bei dem aparten Wandschmuck keineswegs um eine Dekoration handelte. Er war im Gegenteil sogar bewohnt, bis Florian für eine umgehende Aussiedlung sorgte.
»Hast du schon mal eine dreieckige Dusche gesehen?«
»Wieso? Die ist doch rund«, sagte Tinchen, nachdem sie das leicht angerostete Gestänge besichtigt hatte.
»Du und deine Haarspaltereien! Sieh dir mal das Becken an!« Es war in der Tat dreieckig, der spitze Winkel zeigte nach hinten. »Eins weiß ich mit Sicherheit: Sollte ich jemals zu viel Geld kommen und mir eins von diesen alten Gemäuern kaufen können, die man mit noch mehr Geld ausbauen kann, wird es niemals eine Mühle sein. Es sei denn, die Designer gehen mit der Zeit und entwerfen halbrunde Möbel.«
Während Tinchen die beiden Taschen auspackte, stand Florian singend unter der Dusche. »Sie funktioniert besser als die in unserem Hotel«, brüllte er zwischendurch. »Soll ich sie gleich laufen lassen? Sie ist prima temperiert.«
Für ein albern kicherndes Paar wurde es dann aber doch zu eng, und nachdem Florians großer Zeh intensiven Kontakt mit dem spitzen Winkel gehabt hatte, ergriff er freiwillig die Flucht. »Beeil dich ein bißchen, Tine, die Kinder warten bestimmt schon.«
Im Augenblick wartete allerdings nur Tobias, und langsam wurde er unruhig. Er wollte sich gerade auf die Suche nach seiner Schwester machen, als sie durch die offene Tür hereinkam, die Hände auf dem Rücken verschränkt. »Menschenskind, wo bleibst du denn?«
»Ich habe mir bloß ein bißchen die Gegend angeguckt. Eigentlich wollte ich nur den Kilimandscharo sehen, aber der ist gar nicht da. Ich glaube, wir sind doch in der falschen Lodge. Und plötzlich waren lauter Massai da. Rechts Massai und links Massai und vor mir und ringsherum Massai …«
»Ja und? Was hast du gemacht?«
»Was sollte ich schon machen? Ich habe ihnen das dämliche Ding abgekauft.« Hinter ihrem Rücken zog sie einen ziegenfellbespannten Schild hervor, reich verziert mit bunten Ornamenten.
Tobias lachte schallend. »Was willst du denn damit?«
»Weiß ich nicht.« Unschlüssig drehte sie ihn hin und her. »Sieh mal, krabbelt da was?«
Bei näherer Begutachtung stellte sich heraus, daß auf dem Schild ein sehr reges Leben herrschte. Kleine schwarze Würmchen bewegten sich zwischen den Haaren, manche hatten sogar Beine. »Igittigitt!« Julia öffnete die Tür und warf den Schild hinaus. »Der braucht erst mal drei Dosen Insektenspray.«
»Oder zu Hause vierundzwanzig Stunden lang frische Luft. Dann ist das ganze Viehzeug erfroren.«
»A propros frieren«, Julia rieb sich die nackten Arme, »hast du auch schon gemerkt, daß es hier lausig kalt ist? Hoffentlich hat Mutti eine Jacke eingepackt, ich habe nämlich keine mit.«
»Dafür aber drei Paar Shorts, einen Minirock und zwei Pfund Schönheitsutensilien. Für wen willst du eigentlich diesen Aufwand treiben? Für die Löwen?« Genüßlich las er die Etiketten der säuberlich nebeneinander aufgereihten Fläschchen und Döschen ab: »Teintgrundierung, Lipgloss, Eyeliner, Cajal, Beautyfluid …«
»Was fällt dir ein, meine Sachen auszupacken!« Wütend riß ihm Julia die Nagellackflasche aus der Hand.
»Nun stell dich nicht so an, du Eumel, ich habe doch bloß was zum Duschen gesucht.«.
»Und? Hast du was gefunden?« fragte sie bissig.
»Nee. Ich habe das hier genommen.« Er zeigte auf ein dunkelblaues Flakon.
»Bist du wahnsinnig!« schrie sie los. »Das ist der letzte Rest von dem sündhaft teuren Shampoo, das mir Karsten letztes Jahr aus Frankreich mitgebracht hat. Ich benutze es nur zu ganz besonderen Gelegenheiten.«
»Na und? Ist das vielleicht keine besondere Gelegenheit, wenn ich es mal nehme?« Er konnte sich gerade noch dukken, bevor der Turnschuh hinter ihm an die Wand flog. »Mach, daß du rauskommst! Ich will auch duschen.«
Draußen war es stockdunkel. Und kalt. Unangenehm kalt
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