Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
ihre Köpfe aus der Dachluke steckten. Dabei mußte Naldo aufpassen, daß ihm sein Hütchen nicht davonflog, und Rico seinerseits schob immer wieder Naldos Kehrseite hoch, weil der ein wenig zu kurz geraten war und ständig mit dem Kinn an den Metallrahmen stieß. Ohnehin konnten nur jeweils drei Personen gleichzeitig aus dem Dachfenster sehen und kamen sich trotzdem ständig ins Gehege. Die anderen mußten warten, bis die ersten genug hatten und wieder abtauchten. Die Seitenfenster konnte man vergessen, sie waren außen von einer dichten Staubschicht überzogen.
Eine ganze Herde kreuzte knapp zehn Meter vor ihnen den Weg, und Tinchen beobachtete entzückt zwei Elefantenbabys, die immer wieder auszubrechen versuchten und sofort mit energischen Rüsselstößen zur Ordnung gerufen wurden. In der Mitte sollten sie gefälligst bleiben, beschützt von der Herde und in Reichweite ihrer Mütter. Ein ganz Kleines hatte seinen Rüssel um Muttis Schwanz gewickelt, emsig bemüht, den Anschluß nicht zu verlieren. Geschah es doch, legte es einen Zwischenspurt ein, bis es die sichere Halteleine wieder erreicht hatte.
Noch lange hätte Tinchen diesem friedlichen Familienleben zusehen können, doch Naldo schrie wieder nach seinem Löwen. Mloleve glaubte sogar Spuren entdeckt zu haben. Nicht von den Löwen, deren Revier lag woanders, nein, ein Rhino mußte erst kürzlich vorbeigekommen sein. Also auf zur Rhinozerosjagd. Sie dauerte eine halbe Stunde und endete bei einem Wasserloch. Leider war es von Büschen umwachsen, und leider hatte ausgerechnet dahinter das Vieh Posten bezogen. Ein Stück vom Horn ragte heraus, ein bißchen Stirn, und vom Hinterteil war auch noch etwas zu sehen. Mit schußbereiter Kamera hing Tobias halb aus der Luke, schrie, brüllte, ahmte alle möglichen Tierlaute nach, doch der Koloß wich nicht einen Schritt zur Seite. »Ich steige einfach mal aus.«
»No!« wehrte Mloleve erschrocken ab. »It’s dangerous.« Näher heranfahren wollte er aber auch nicht, es sei verboten, von den regulären Pisten abzuweichen, neuerdings seien ständig Parkwächter unterwegs, und wenn man ihn bei einem Abstecher quer durch die Savanne erwische, würde er seine Lizenz verlieren. Also knipste Tobias das Gebüsch mit dem Horn drüber, das man später auf dem Foto gar nicht erkennen konnte, weil es sich von dem graugrünen Gestrüpp überhaupt nicht abhob. Lediglich der Kilimandscharo im Hintergrund rettete die Aufnahme dann doch noch.
Weiter ging es. Statt grau wurde der Staub rötlich, die Zebras waren plötzlich rosa-weiß gestreift, die Vegetation wurde immer spärlicher und bestand bald nur noch aus einzelnen, halbvertrockneten Bäumen. In ihrem kümmerlichen Schatten standen beinahe bewegungslos Gazellen, Antilopen, Kudus. Zwei Büffel kauten lustlos an den harten Grasbüscheln herum, andere schliefen.
»Wenn ich denen noch eine Weile zusehe, penne ich auch ein«, sagte Julia gähnend. »Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Hier ist überhaupt keine action. Kein Löwe, der seine Beute reißt, keine Verfolgungsjagden, keine Revierkämpfe – da ist ja im Grafenberger Wald mehr los!«
Auch Mloleve war die nachlassende Begeisterung seiner Fahrgäste nicht entgangen. Er fürchtete um sein Trinkgeld. Hinlänglich geschult im Umgang mit Touristen, tat er das, was bei aufkommender Langeweile ein wirksames Gegenmittel ist: Er steuerte die nächstgelegene Lodge an. Dieser Zwischenstopp war ohnehin vorgesehen, allerdings erst später, doch was soll’s, dann würde man die Rast eben etwas länger ausdehnen.
Da niemand wußte, daß es auch innerhalb des Parks ein Hotel gab, war die Überraschung um so größer. »Pinckel-pause!« rief Mloleve, als er vor dem langgestreckten Gebäude anhielt. »Gibt zu trinken, auch essen, wer will, kann kaufen Massaisouvenirs und machen Fotos von Affen hinten in Garten.« So, damit würden sie wohl eine Weile beschäftigt sein. Er selbst verzog sich in die Küche.
Tinchen reckte ihre steifgewordenen Glieder und sah sich um. Blümchen überall, wenn auch nicht so üppig wie in der anderen Lodge, dafür viele Bäume, in denen unzählige Affen herumturnten. Tobias rannte bereits hinter einem her, der ihm eine Packung Kekse aus der Hosentasche geklaut hatte. »Mistvieh, elendes! Das war meine Notration!«
Der Affe ließ sich nicht beeindrucken, kletterte auf den nächsten Baum und begann mit den Zähnen die Verpackung zu lösen. Sofort wurde er von seinen Artgenossen attackiert, und
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