Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
gleich darauf sah man den Räuber die Flucht ergreifen, verfolgt von einer Meute kreischender, zeternder Meerkatzen.
Lachend sah Florian zu. »Wie bei den Menschen! Einer gönnt dem anderen nichts.«
»Wundert dich das? Schließlich stammen wir von denen ab.«
»Du vielleicht, mein Sohn«, wehrte sich Florian entrüstet, » ich nicht.«
In der Lounge saß Röschen. Allein. Sie blätterte in einer abgegriffenen Zeitschrift und nippte zwischendurch an einem Glas mit Limonade. Bevor Tinchen einen Rückzieher machen konnte, hatte Röschen sie schon gesehen. Sie warf ihre Zeitung hin und sprang auf. »Ist das nicht alles furchtbar? Dieser Staub und diese Hitze, und dann diese ewige Fahrerei und immer das gleiche Bild? Im Zoo sieht man die Tiere ja viel besser, hier sind sie so weit weg, und wie ich aussehe? Gukken Sie sich bloß mal meine Haare an! Die kriege ich gar nicht mehr sauber.«
Ein Blick in den Spiegel gleich neben dem Eingang hatte Tinchen klargemacht, daß sie vor einem ähnlichen Problem stand. Alles an ihr war staubig, angefangen von den Wimpern bis zu den Fußnägeln. Nur oberflächlich hatte sie ein bißchen ihre Shorts ausgeklopft, und sofort hatte sie in einer Staubwolke gestanden. Sehnsüchtig schaute sie zu dem so einladend winkenden Swimmingpool hinüber. Warum hatte ihr niemand gesagt, daß sich unterwegs Gelegenheit zum Baden bieten würde? Jetzt hatte sie nichts mit. Und da »topless« in Kenia generell verboten war, käme »ganz ohne« schon überhaupt nicht in Frage.
Sie ließ sich ein Mineralwasser bringen und hörte geduldig Röschens Gejammer zu. »Ich habe dem Fahrer gesagt, er soll mich wieder zur Lodge bringen und mit den anderen allein weiterfahren. Das hat er aber nicht gemacht, weil es zu weit ist, hat er gesagt; dann soll er mich hierlassen, habe ich gesagt, und auf dem Rückweg wieder abholen. Da kommt er nicht mehr vorbei, hat er gesagt, und wenn ich bleiben will, muß ich selber sehen, wie ich zurückkomme, hat er gesagt. Ich bin aber trotzdem geblieben. Fahren Sie jetzt zurück?«
Tinchen verneinte. »Wo ist denn Ihr Mann?«
»Ach, der …« winkte Röschen verächtlich ab. »Dem ist doch egal, was aus mir wird. Alwin, habe ich gesagt, wenn du mich hier ganz allein sitzen läßt, rede ich kein Wort mehr mit dir. Und wissen Sie, was er geantwortet hat?« Sie stärkte sich mit einem weiteren Schluck. »Etwas Besseres kann mir gar nicht passieren, hat er gesagt. Ist das nicht eine Frechheit?«
»Wie wollen Sie denn nun wirklich hier wegkommen?« Tinchen bemühte sich krampfhaft, ernst zu bleiben, und es gelang ihr sogar.
»Ich hoffe, daß mich doch noch ein Wagen mitnimmt, es sind ja genug unterwegs. Und wenn nicht, dann soll mich einer von den Schwarzen hier zurückbringen. Es geschieht Alwin nur recht, wenn er dafür extra bezahlen muß.«
»Vergessen Sie aber nicht, daß um fünf Uhr die Maschine startet.«
Daran hatte Röschen nicht gedacht. Doch bevor sie sich auf die neue Situation einstellen konnte, hatte sich Tinchen schon entschuldigt und war gegangen.
Den männlichen Teil ihrer Sippe fand sie im Pool, den Rest auf einer Liege daneben. »Am liebsten würde ich hierbleiben«, seufzt Julia. »Wenn ich mir vorstelle, daß wir noch stundenlang in dieser Blechbüchse durch die Pampa brettern müssen, frage ich mich, weshalb ich überhaupt mitgekommen bin. Stell dir mal vor, was ich mit dem Haufen Kohle hätte anfangen können, den Oma für die Safari gelöhnt hat. Wasserski, Minisegeln, Squash, Surfen …«
»Halt den Mund! Und wehe, du jammerst deiner Großmutter etwas vor! Du hast begeistert zu sein, verstanden!« Und dann, etwas kleinlaut: »Ich würde jetzt auch viel lieber im Meer schwimmen.«
»Ginge ja gar nicht. Zur Zeit ist Ebbe.« Prustend kletterte Florian aus dem Pool, »So, nun geht’s mir besser. Du glaubst gar nicht, Tine, was für eine Brühe an mir heruntergelaufen ist. Im Duschbecken kannst du jetzt Radieschen säen.«
Das glaubte Tinchen auch ohne Nachprüfung. Sie brauchte nur an sich selbst herabzublicken.
Naldo und Rico hatten auf ein Bad verzichtet. Arm in Arm saßen sie auf einer schattigen Bank und fütterten sich gegenseitig mit frischer Ananas. »Wahrscheinlich trägt er auch rosa Badehöschen«, sagte Julia kichernd. Beinahe bedauerte sie, daß die Italiener nicht im »Coconutpalmtrees« wohnten. Seitdem Black and White abgereist waren, gab es kaum noch jemanden, über den sich zu lästern lohnte. Wien-Ottakring war weg und Backgammon
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