Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Bett schläft.«
    »Dafür sorgt schon meine Mutter«, sagte Tinchen, froh, daß Flori den letzten Satz nicht mitbekommen hatte. Er ließ sich gerade von Karsten etwas ins Ohr brüllen. Dann schlug er sich wiehernd auf die Schenkel. »Schadet dir gar nichts, du Westentaschen-Casanova! Komm, darauf trinken wir einen.«
    »Ich will mitlachen. Und einen Cocktail will ich auch noch.« Tinchen schob ihr geleertes Glas hinüber. »Hat mein lieber Bruder wieder mal einen Korb gekriegt?«
    »Nee, ihm ist bloß ein gewaltiger Irrtum unterlaufen.« Noch immer lachte Florian. »Zwei Tage lang ist er um Zwillinge rumgeschlichen und hat beide angemacht, bis ihm endlich aufgegangen ist, daß es nur eine war mit zwei verschiedenen Perücken.«
    »Und für welche hat er sich entschieden?« Sie verstand gar nicht, weshalb die beiden Männer erneut losprusteten. War ja auch egal. »Noch mal dasselbe, George.«
    Plötzlich verstummte die Musik. Quer durch den Speisesaal marschierten im Gleichschritt drei recht ungewöhnliche Gestalten. Sie trugen Tarnanzüge aus Restbeständen der Bundeswehr, dazu Schirmmützen und Fallschirmspringerstiefel. Jeder schleppte einen Rucksack mit zusammengerollter Zeltplane, aus dem so nützliche Dinge hingen wie Kochgeschirr, Bratpfanne, kleine Hackebeilchen und Blechschüsseln.
    »Wo kommen die denn her?« Mit großen Augen verfolgte Florian den merkwürdigen Trupp, der sich unbeirrt und schweigend seinen Weg bahnte, um dann Richtung Bungalows abzudrehen. »Sind die vom Zweiten Weltkrieg übriggeblieben?«
    »Nee, die erforschen Afrika«, antwortete Karsten. »Sagt bloß, ihr habt die noch nicht gesehen? Jeden Morgen um sieben hissen sie die bayerische Flagge, dann traben sie in zügigem Dauerlauf dreimal rund um die Wiese, gehen frühstükken, und Punkt acht ziehen sie mit vollem Marschgepäck los. Ziel unbekannt.«
    »Woher weißt du denn das?« fragte Tinchen neugierig. »Du willst mir doch nicht erzählen, daß du morgens um sieben aufstehst?«
    »Nicht aufstehen, schlafen gehen!« berichtigte Florian.
    Kaum waren die Waldläufer verschwunden, da setzte erneut die Musik ein. Der Solist hatte während der kurzen Pause genug Atem geschöpft, um jetzt mit seinem Bravourstück zu glänzen. »Strangers in the Nicht« intonierte die Band, und »Täterätätä …« kam es mißtönend aus der Trompete. Das war zuviel für Tinchen! Was fiel dem Kerl ein, ausgerechnet ihr Lieblingslied so zu verhunzen? »Aufhören!!!« schrie sie, und »Aufhören! Aufhören!« kam es jetzt von allen Seiten. Kasulke ging sogar noch weiter. »Aufhörn nützt doch nischt, der fängt ja doch wieda von vorne an«, brüllte er, »auf hängen is besser!«
    Oberkellner Moses schritt ein. Kurzes, doch heftiges Palaver mit dem verstörten Trompeter, dann legte der sein mißhandeltes Instrument zur Seite und griff statt dessen zur Gitarre. Lauter Beifall belohnte ihn. Dann durfte er sogar singen. Da es sich um etwas Afrikanisches handelte, das niemand kannte, fühlte sich auch keiner gestört.
    Tinchen tanzte nun doch. Nicht mit Florian, der konnte nur Foxtrott und trat einem selbst dabei permanent auf die Füße, sondern mit Karsten. Und dann mit Wolfgang, der ja wirklich ganz nett war, und mit Tobias und mit Herrn Kurz und zuletzt noch mit Herrn Dr. Meierling. Eigentlich hatte der sich nur verabschieden wollen, weil er morgen zurückfliegen mußte, doch Tinchen zog ihn kurzerhand auf die Tanzfläche. Ob es nun an Herrn Dr. Meierlings kurzen Beinen gelegen hatte oder an den fünf Giftgrünen, die Tinchen inzwischen intus hatte, konnte sie später nicht mehr sagen, jedenfalls wäre sie doch glatt hingefallen, hätte Karsten sie nicht im letzten Augenblick aufgefangen. »Hast du vergessen, daß wir morgen mit William verabredet sind?« fragte er diplomatisch. »Du solltest lieber schlafen gehen, es wird bestimmt ein anstrengender Tag.«
    »Morgen schon? Ich dachte, erst Donnerstag.«
    »Morgen ist Donnerstag.«
    »Stimmt gar nicht«, kicherte sie albern, »heute ist Donnerstag. Es ist schon zwanzig nach zwölf.«
    »Eben!« Karsten reichte seine Schwester an Florian weiter. »Deine Frau hat einen mordsmäßigen Schwips.«
    »Nur einen ganz klitzekleinen«, widersprach sie, »einen klitzeklitzekleinen grünen Schwips. Und jetzt will ich ins Bett. Morgen muß ich in den Kral zu den Wilden. Vielleicht sind das alles Kannibalen, und wir kommen gar nicht mehr zurück? Ich will aber zurückkommen, Flori. Versprichst du mir, daß wir