Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Das kriegt er aber nur, wenn er aufhört zu spielen.«
Entweder hatte Moses die Bedingung nicht weitergegeben, oder der Trompeter hatte sie nicht verstanden. Er nahm das Getränk als Anerkennung entgegen. Wenigstens einer, der seine musikalischen Fähigkeiten zu würdigen wußte, der Applaus war ja ziemlich spärlich gewesen. Dankbar nickte er Karsten zu, dann setzte er zu einem neuen Solo an.
»Ich geh rüber an die Bar, vielleicht hört man das Gequieke dort weniger laut«, sagte Tinchen. Auf diese Idee waren auch schon andere gekommen. George mußte einen zweiten Helfer heranwinken, um dem plötzlichen Andrang gerecht zu werden.
Tinchen fand noch einen Platz neben Julia. Auf der anderen Seite saß Birgit. Ihnen gegenüber hockten Joe und eine farblose dünne Blondine in einem ziemlich gewagten Kleid, die Tinchen noch nie gesehen hatte.
»Das ist seine Pratze aus Regensburg«, klärte Julia ihre Mutter auf. »Ist gestern überraschend gekommen. Begeistert war der Joe bestimmt nicht, da er doch gerade die kleine Münchnerin angegraben hat. Bloß seinetwegen macht sie den neuen Tauchkurs mit.« Und als Joe seine Begleiterin auf die Tanzfläche führte: »Eigentlich hätte ich ihm einen besseren Geschmack zugetraut. Die klappert doch schon beim Laufen.«
»Und erst das Kleid!« ergänzte Birgit. »Darin sieht sie aus wie eine Mallorca-Disco-Schlampe.«
»Sehr dezent hast du dich aber auch nicht angezogen.« Amüsiert musterte Tinchen das junge Mädchen. Zum schwarzen Minirock trug es ein sehr knappes Oberteil, dazu hochhackige Schuhe und ein dreiviertel Pfund Modeschmuck. Mit Make-up hatte es auch nicht gespart. »Wo viel Lid ist, ist auch viel Schatten.«
Zum Glück nahm Birgit nie etwas übel. »Finden Sie?« Sie griff nach Georges Tablett, auf das er gerade zwei Gläser stellen wollte, und benutzte es als Spiegel. »Mutti hat nämlich auch schon gemeckert, und Vati hat gesagt, ich soll mich nicht wundern, wenn mich jemand fragt, wieviel ich koste.« Sie gab das Tablett zurück und rutschte vom Hocker. »Ich geh mal abtakeln. Haltet mir aber den Platz frei.«
»Mach ich«, sagte Florian, »laß dir ruhig Zeit.« Er studierte die Getränkekarte. »Wozu darf ich euch zwei Hübschen denn einladen?« Julia wollte eine Cola mit Navy-Rum und Tinchen diesen grünen Cocktail, der immer so schön giftig aussieht. »Ich glaube, der heißt Out of Africa.«
»Gestatten Sie, daß ich mit Ihrer Tochter tanze?« Erst zögerte Florian, weil er das eigentlich selber vorhatte, doch dann gestattete er gnädig. Strahlend folgte Julia dem Taucherteil auf die Tanzfläche.
»Hat die sich den Grufti denn immer noch nicht abgeschminkt?« Tobias hatte sich mit seiner Anja auch in das Gewühl stürzen wollen, blieb jedoch kurz neben Tinchen stehen. »Ich dachte, sie sei endlich vernünftig geworden.« Im Weggehen sagte er leicht resignierend: »Na ja, die Liebe ist auch so ein Problem, das Marx nicht gelöst hat.«
Als Tinchen den zweiten Cocktail halb ausgetrunken hatte, fragte Florian höflich: »Wie isses, Tine, willst du auch mal tanzen?«
Sie wollte nicht. Mit diesem Disco-Gehopse habe sie nichts im Sinn, so etwas Ähnliches habe sie seinerzeit im Turnunterricht machen müssen, nur habe es damals Freiübungen geheißen, und ihr käme es vor, als tobten da lauter Epileptiker herum. »An irgend etwas erinnern mich diese zuckenden Bewegungen«, grübelte sie laut, »ich weiß nur nicht mehr, woran.«
»An die Massaitänzer neulich«, sagte Florian trocken.
Birgit kam zurück. Ihre Stelzen hatte sie gegen flache Slipper eingewechselt, statt sieben klirrten nur noch drei Armreifen am Handgelenk, und die wilde Kriegsbemalung war auf ein erträgliches Maß reduziert. »Besser so?«
»Viel besser«, bestätigte Tinchen.
»Bleiben Sie ruhig sitzen«, sagte Birgit, als Florian seinen Hocker räumen wollte, »ich stehe ganz gern mal. Von hinten komme ich mir schon vor wie ein Nilpferd. Ist ja auch kein Wunder bei der ewigen Rumliegerei den ganzen Tag.« Fachmännisch beobachtete sie die Tänzer. »Jetzt sehen Sie sich bloß mal die Kiste an! Hände in den Hosentaschen und Blick an der Decke. Ich glaube, der hat noch gar nicht gemerkt, daß ihm seine Partnerin abgehauen ist. Da ist ja auch Julia! Und Uelzen, natürlich! Bei der Italienerin ist er abgeblitzt, als sie seinen Ring gesehen hat, und nun versucht er es wieder bei Julia. Ein Glück, daß er morgen abreist. Passen Sie bloß auf, Frau Bender, daß sie heute in ihrem eigenen
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