Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
noch ihren Namen nennen und wo sie herkam, und als sie das mit »Jina langu Tina na nina toka Germany« beantwortet hatte, durfte sie sich verabschieden. »Kwaheri.«
»Ausgezeichnet«, lobte Jim. Da es sich leider um die letzte Unterrichtsstunde handelte, werde man heute die nötigen Vokabeln für die Abreise durchnehmen. Er klappte die Tafel herum, und Tinchen las erstaunt: Die-se Kiste ge-hört mir nicht und Vor-sicht, die Kiste ist zer-brechlich. Darunter stand der Text in Suaheli.
»Ich habe aber keine Kisten, sondern Koffer.«
Dafür gäbe es kein entsprechendes Wort, bedauerte Jim. Es gab eigentlich gar keine Bezeichnungen für europäische Reiseutensilien, stellte sie fest, weder für Handgepäck noch für Kosmetikbox. Im Bedarfsfall würde sie wohl doch lieber auf Englisch zurückgreifen.
Mit Handschlag verabschiedete sich Jim von jedem einzelnen Schüler, nachdem er sorgfältig die Adressen notiert und versprochen hatte, sich bei seinem nächsten Deutschlandbesuch zu melden. Wann denn damit zu rechnen sei? »Wenn der Kilimandscharo keinen Schnee mehr trägt«, sagte er. »Kwaheri.«
Sie waren entlassen. Es wurde auch höchste Zeit zum Umziehen. Die ersten Hungrigen umkreisten bereits die Tische, und sogar Tinchen konnte sich einen kurzen Abstecher nicht verkneifen. Kasulke war auch schon da. »Nu gukken Se sich det an. Jetzt hab’n se doch tatsächlich Schilder uffjestellt, damit man lesen kann, wat nachher in die Töppe drin is. Und wat steht da? Ugafi«, buchstabierte er mühsam, »Matumbo, Chapati … wissen Sie vielleicht, wat det bedeutet?«
»Viazi heißt Kartoffeln, das habe ich neulich gelernt.«
»Die würde man ja ooch an ihre Form erkennen, aba wat is Muchicha?«
»Keine Ahnung, wir werden es schon herausfinden.«
»Ja, wenn et zu spät is und uff ’m Teller liecht. Oda können Se sich ’ne Kombination von jedämpftem Weißkohl mit jekochte Ananas vorstellen?«
Als Tinchen in den Bungalow stürzte, stand Florian noch im Bad. In jeder Hand hielt er ein Oberhemd. Sein unschlüssiger Blick wanderte zwischen beiden hin und her. »Kannst du mir sagen, welches noch am saubersten ist?«
»Keins von beiden«, sagte Tinchen, »aber der Schokoladeneisfleck geht bestimmt besser raus als die Tomatensoße. Nimm also das hellblaue. Irgendwo muß noch Waschpaste sein.« Sie zog sich aus und schlüpfte unter die Dusche.
Vergebens suchte Florian das Regal über dem Waschbekken ab. Der Größe nach stand dort alles aufgereiht, was der Roomboy an herumliegenden Kosmetika gefunden hatte. Den Anfang machte Tinchens Haarspray, weil das die längste Dose war, dann folgten Shampoo, Duschgel, die Flasche mit Aftershave, Eau de toilette, Zahnpasta – die Tube hochkant an die Wand gelehnt –, Deo und immer weiter abwärts, bis Tinchens Lippenstifte den Schluß bildeten. »Der muß im früheren Leben mal Orgelbauer gewesen sein«, hatte Florian vermutet, als er diesen Aufbau zum erstenmal gesehen hatte. Inzwischen fand er ihn ganz praktisch. Wenn man wußte, in welche Größenordnung der gesuchte Gegenstand paßte, fand man ihn sogar im Dunkeln.
Die Eisspuren waren getilgt, statt dessen prangte ein großer Wasserfleck auf Florians Hemd. »Hier hast du den Fön, leg dich mal trocken!« befahl Tinchen. Sie stand in ihrem gelben Kleid vor dem Spiegel. Nacheinander wickelte sie sich Schals um die Hüfte oder versuchte es wenigstens. Die meisten waren zu kurz, und der einzig lange paßte nicht in der Farbe. »Was soll ich denn bloß machen? Wenn der Fleck wenigstens an einer anderen Stelle säße und nicht ausgerechnet auf dem Bauch.«
Florian wußte Rat. »Du machst aus dem grünen Tuch einfach eine Schleife und steckst sie vorne fest.«
»Du spinnst wohl! Ich kann doch meinen hervorragendsten Körperteil nicht noch extra betonen. Lieber gehe ich mal nach nebenan, vielleicht hat Julia was.«
Julia konnte leider nicht dienen, doch Frau Antonie. Ob Ernestine den violetten Chiffonschal haben wolle, der würde sich recht gut eignen. Ein bißchen zerdrückt sei er allerdings, weil sie selbst ihn ausschließlich zum Bedecken der Lockenwickler verwende, vielleicht seien auch ein paar kleinere Löcher drin, doch die würden wohl kaum auffallen. Tinchen nahm den Schal und beauftragte Florian, einen Zweig lila Blüten aufzutreiben. »Die stecke ich mir oben an die Schulter.«
»Wo soll ich die denn herkriegen? Draußen ist es dunkel.«
»Dann nimm die Taschenlampe mit. Ich weiß nicht mehr, wo ich sie gesehen
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