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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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daß im vergangenen Jahr der Riemen gerissen war, hatte an der miserablen Qualität gelegen und nicht etwa an Überbeanspruchung. »Ich laufe mal nach vorne und hole unsere Pässe aus dem Tresor.« Es schien ihm angebracht, seinem übelgelaunten Tinchen eine Zeitlang aus dem Weg zu gehen. »Und denk daran, daß du heute nicht mehr anschreiben lassen kannst! Die beste Methode, sich wieder an Barzahlung zu gewöhnen. Hast du noch Geld?«
    »Ja, siebenundzwanzig Shilling.«
    »Für zwei Flaschen Mineralwasser reichen sie«, sagte Florian und machte, daß er aus der Tür hinauskam.
    Wie am ersten Tag fand er seine Tochter am Pool sitzend, Beine im Wasser, melancholische Miene im Gesicht. Tröstend fuhr er ihr durch die Haare. »Jeder Urlaub geht mal zu Ende, Julchen, und zu Hause ist es doch auch wieder schön.«
    »Darum geht es ja gar nicht«, wehrte sie ab, »ich freue mich sogar darauf. Es ist jetzt bloß so langweilig hier. Alle, die ich kenne, sind weg, und die Übriggebliebenen kannste in der Pfeife rauchen. Sieh dir doch nur mal diesen Mumienkonvent an!«
    So ganz unrecht hatte Julia nicht, dachte Florian, während sein Blick über die Liegewiese schweifte, nur hätte er diese Ansammlung nicht mehr ganz junger Damen und Herren eher als gehobenes Mittelalter bezeichnet, wozu er letztendlich auch gehörte. Thea und Josef zum Beispiel waren bestimmt noch jünger als er, und Ichglaubsnicht hatte gerade erst die Vierzig überschritten, was nun wirklich kein Mensch geglaubt hatte. Birgit war stutzig geworden, als sie neben Frau Pahlkes Frühstücksteller die Pillenpackung liegen sah, und hatte ganz treuherzig gefragt: »Brauchen Sie die überhaupt noch?« Richtig beleidigt war Frau Pahlke gewesen. Sie sei ein Nachkriegskind, sogar eins der ersten, denn sie sei genau am Tage des Waffenstillstands geboren.
    »Wahrscheinlich meint sie den Ersten Weltkrieg«, hatte Birgit Julia zugeraunt und sich dann wortreich bei Ichglaubsnicht entschuldigt.
    Im übrigen stimmte es, was Julia gesagt hatte. Die meisten netten Leute waren abgereist. Vielleicht waren die Neuen ja auch ganz nett, nur hatte Florian weder Zeit noch Lust, das herauszufinden. Er konnte sich auch nicht vorstellen, mit dem Paar, dessen weiblicher Teil ständig in ärmellosen Kittelschürzen herumlief, einen ähnlich vergnügten Abend verbringen zu können wie mit den Berlinern, die bis vorgestern an demselben Tisch gesessen hatten. Leider hatte man sich zu spät kennengelernt, was besonders Tobias bedauert hatte. »Wenn ich in der Schule erzähle, daß ich mit’m Bullen Abendbrot gegessen habe, muß ich wenigstens ein paar Stories vorbringen können. Haben Sie da nicht was auf Lager?« Kommissar Klaasen arbeitete zwar beim Rauschgiftdezernat, meinte jedoch, zwischen Miami Vice und dem Berliner Drogenalltag gäbe es erhebliche Unterschiede.
    Ja, es war leerer geworden im Hotel. Die Saison näherte sich dem Ende, erfahrene Kenia-Touristen wußten, daß die kleine Regenzeit herankam, was zwar nicht automatisch Wolkenbrüche bedeutete, aber zunehmende Schwüle, Moskitos und hohe Luftfeuchtigkeit. Also nicht ganz das Richtige für normale Mitteleuropäer. Folglich reisten sie ab. Die Kiste war vor zwei Tagen zurückgeflogen – übrigens ohne die bewußte Truhe, aber wenigstens mit dem erstatteten Geld – genau wie die bayerischen Afrikaforscher und Frau Schulze, die Heizölgroßhändlersgattin aus Castrop-Rauxel. Ihren Mann hatte sie schon eine Woche früher nach Hause geschickt, weil »man solch einen Betrieb schließlich nicht für längere Zeit unbeaufsichtigt lassen kann. Auf die Angestellten ist doch heutzutage kein Verlaß mehr.«
    Gestern abend hatte es einen ganz besonders tränenreichen Abschied gegeben. Familie Kurz hatte abreisen müssen. Immer wieder waren sich Birgit und Julia in die Arme gefallen, hatten sich ewige Freundschaft geschworen und schon gegenseitige Besuche terminiert, hatten Geburtsdaten ausgetauscht, Telefonnummern notiert, und Birgit hatte fest versprochen, in Düsseldorf Station zu machen, wenn sie ihre Großmutter in Hildesheim besuchen würde. »Auf den kleinen Abstecher kommt es dann auch nicht mehr an.« Es war Florian schwergefallen, im Hinblick auf Birgits geographische Vorstellungen den Mund zu halten.
    Zu Tinchens Erstaunen war die Trennung zwischen Julia und Wolfgang weniger dramatisch verlaufen, als sie befürchtet hatte. Den Abendspaziergang am Strand unter dem genau zur Stimmung passenden Bilderbuchvollmond hatte sie mit

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