Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Kasulkes Fernrohr verfolgt und nur dann taktvoll aufs Meer geschwenkt, wenn sich das Pärchen mal wieder geküßt hatte. So viel Toleranz hatte sie gerade noch aufgebracht. Beim Abschiedstrunk an der Bar – dem Anlaß entsprechend hatte das Taucherteil Champagner auffahren und in Julias Glas eine rote Rose stecken lassen, die er, der Himmel weiß wo, aufgetrieben hatte – waren zwar einige Tränchen in das teure Getränk gefallen, doch die waren dann schnell versiegt. Julia hatte nämlich feststellen müssen, daß Wolfgang ihr nur seine Geschäftsadresse aufgeschrieben hatte und nicht etwa die Privatanschrift. Das hatte ihr zu denken gegeben. Natürlich werde er sich melden, hatte er gesagt, auch vorbeikommen, sobald er mal dienstlich im Rheinland zu tun habe, Abzüge von den Fotos werde er schicken und die versprochene Kassette auch. Sie solle aber nicht böse sein, wenn er jetzt schlafen gehe, schließlich müsse er um drei Uhr wieder aufstehen. Dann hatte er Julia auf die Wange geküßt und war gegangen.
Bis dahin hatte sich Birgit im Hintergrund gehalten, doch nach Wolfgangs Abschied war sie an die Bar gekommen und hatte Julia freundschaftlich umarmt. »Nimm’s nicht so schwer, die erste Liebe hält sowieso nie. Du mußt immer daran denken, daß andere Mütter auch hübsche Söhne haben.« Dann hatte sie sich lachend verbessert: »Von hübsch kann bei Wolfgang ja gar nicht die Rede sein. Wenn er wenigstens das gewesen wäre … Los, trink dein Rülpswasser aus, vielleicht siehst du dann ein bißchen klarer!« Sie hatte Julia das Glas rübergeschoben. »Wolfgang ist ein Windhund und wird ewig einer bleiben. Ich jedenfalls möchte nicht in der Haut seiner Frau stecken.«
»Ich schon«, hatte Julia gesagt.
»Von verheirateten Männern solltest du in Zukunft die Finger lassen. In deinem Alter wird man noch nach dem Umgang beurteilt, den man sich von Leibe hält«, hatte Birgit weise geäußert, »und jetzt leg endlich deine Begräbnismiene ab oder heb sie bis morgen auf, wenn du mir hinterherweinst. Dann hast du wenigstens einen Grund zum Heulen.«
Ohne Birgit schien Julia nichts mehr mit sich anfangen zu können. Als Florian sie verließ, um nun endlich die Pässe zu holen, hockte sie immer noch am Schwimmbecken und angelte mit den Zehen die hineingefallenen Blüten aus dem Wasser.
In der Lounge saß Tobias vor einem Stapel Ansichtskarten. Die meisten waren an seine Freundin Bettina adressiert.
»Findest du nicht, daß es nun ein bißchen spät dafür ist?« fragte Florian.
»Ich habe einfach keine Zeit gehabt«, behauptete sein Sohn. »Jetzt habe ich immer ein anderes Datum oben drübergeschrieben, und wenn ich ein paar von den Karten gleich zur Rezeption bringe, gehen sie heute noch weg. Die anderen gebe ich erst am Abend ab, und den Rest stecke ich morgen früh am Flugplatz ein. Vielleicht kommen sie dann nicht alle am selben Tag an«, sagte er hoffnungsvoll.
»Auf jeden Fall bist du eher da als die Post.«
»Das ist egal. Ich sage einfach, daß es von hier immer so lange dauert.«
Mit den Pässen in der Tasche, deren Aushändigung er auf drei verschiedenen Formularen hatte quittieren müssen, bummelte Florian zurück zum Bungalow. Ein gellender Schrei ließ ihn innehalten. Da mußte irgend etwas passiert sein! Im Nu waren sämtliche Liegen leer, alles rannte dorthin, wo der Tatort vermutet wurde. Florian rannte mit, oder besser gesagt, er beschleunigte seinen Schritt, denn rennen hielt er bei diesen Temperaturen für absolut gesundheitsschädlich. Er hatte kaum die Liegewiese betreten, da kam ihm bereits eine längere Prozession entgegen, angeführt von Ichglaubsnicht, die eine Kokosnuß wie den heiligen Gral vor sich hertrug. Sofort stürzte sie auf Florian zu. »Können Sie sich das vorstellen? Direkt neben meinem Kopf! Ich könnte jetzt tot sein.«
Er überlegte noch, ob das ein großer Verlust für die Menschheit gewesen wäre, da plapperte Frau Pahlke bereits weiter: »Erst vor zwei Minuten habe ich meine Liege nach links gerückt, weil sie zu sehr in der Sonne stand, und genau da, wo mein Kopf war, ist die Kokosnuß runtergekommen. Ich muß einen Schutzengel haben.«
»Det hat Hitler ooch immer jesacht, und trotzdem hat er ’n jämmerlichet Ende jefunden«, erklärte Kasulke. »Denn laß ick mir doch lieber so ’ne Nuß uff ’n Kopp knallen und bin weg. Is doch ’n schöner Tod, so inne Sonne und mittenmang von hübsche Meechens.«
Während sich Frau Pahlkes Eskorte langsam auflöste
Weitere Kostenlose Bücher