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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Haare einfach in der Luft trocknen zu lassen. Julia hatte sich schon gleich nach dem Frühstück Tinchens Fön geholt, damit sie ihn abends als erste benutzen konnte, und einen Raubzug durch den mütterlichen Kleiderschrank angedroht, weil »ich ja nicht mal ein richtiges Cocktailkleid besitze«. Der Hinweis, sie, Tinchen, habe ja auch keins mit, hatte Julia nicht beeindruckt. »Ich finde schon was.«
    Hatte sie auch! Jetzt saß sie in Tinchens zweitbester Bluse an der Bar, neben sich ihren Satelliten Daniel, vor sich ein giftgrünes Getränk und dahinter Florian, der gerade mit lässiger Miene seine Unterschrift auf einen hingehaltenen Quittungsblock kritzelte.
    Tinchen kochte. Mutterseelenallein hockte sie hier vor ihrem Papayawein, der viel zu süß war und einen Beigeschmack von Nagellackentferner hatte, und ihr angetrauter Gatte übte sich als Lebemann, der seiner minderjährigen Tochter sündhaft teure Drinks spendierte. Zumindest nahm Tinchen das an. Grüne Getränke heißen Cocktails und sind immer teuer.
    Nun balzte er auch noch um die beiden Mädchen herum, die gerade mit seiner Hilfe die letzten noch freien Barhocker erklommen. Da konnte sie natürlich nicht mehr mithalten. Zwanzig Jahre jünger und mindestens fünf Zentimeter weniger Taillenweite. Das war’s ja, worauf Männer im gehobeneren Mittelalter flogen!
    Bis jetzt hatte Tinchen ihre beiden Tischnachbarinnen eigentlich ganz nett gefunden, auch wenn Birgit Kurz eine Vorliebe für zuviel Make-up und zuwenig an hatte und ihre Freundin Susi als intellektuell sehr eingeschränkt gelten mußte. Aber beide hatten ein loses Mundwerk, und besonders das Kurz Töchterlein amüsierte Tinchen immer wieder, wenn es mit treffenden Bemerkungen die Hotelgäste durchhechelte.
    Im Gegensatz zu Tobias’ Vermutung, bei den doch schon etwas angejahrten Eltern müsse auch die Tochter schon ein reifes Alter erreicht haben, hatte sich Birgit als muntere Dreiundzwanzigjährige entpuppt, deren Herkunft Tinchen allerdings vor ein biologisches Rätsel stellte. Konnte man mit mindestens über fünfundvierzig noch ein Kind bekommen, und dann auch noch ein so attraktives Exemplar? Sollte dieses biologische Wunder jetzt aber seine aufgeklebten spitzen Krallen nach Florian ausstrecken …
    Mit Argusaugen beobachtete Tinchen die Bar, der sich soeben eine noch viel größere Gefahr näherte. Sie steckte in dunkelblauem Chiffon und war allgemein als »Mama Caroline« bekannt. Ihren unaussprechlichen französischen Namen konnte niemand behalten, ihre frühreife zwölfjährige Tochter, die wie fünfzehn aussah und sich wie achtzehn aufführte, kannte jeder, und sämtliche Ehefrauen zwischen dreißig und siebzig pfiffen ihre Ehemänner zurück auf die Sonnenliege, sobald Mama Caroline auf der Bildfläche erschien. Genaueres wußte niemand, ein bißchen was wußte jeder, und so variierten die Vermutungen über Mama Carolines Background von »Fotomodell mit sagenhaft reichem Freund« bis zu »Na ja, auch solche müssen mal Urlaub machen, und hier kennt sie ja keiner«. Unübersehbar war allerdings ihr Bemühen um männliche Seitendeckung, das mangels geeigneter Objekte immer noch ergebnislos geblieben war. Dabei war Mama Caroline eine blendende Erscheinung, die unweigerlich alle Blicke auf sich zog: etwa Mitte Dreißig, schlank, mahagonifarbene, bis auf die Schultern reichende Haarpracht und Beine, die überhaupt nicht aufzuhören schienen. Kein Wunder, daß sie immer in diesen hochausgeschnittenen einteiligen Badeanzügen herumlief, die kaum jemand tragen konnte, ohne ordinär auszusehen.
    Tinchen zuckte zusammen. Neben ihr war unverhofft Oberkellner Moses aufgetaucht. Er stellte einen mit Blüten gefüllten Suppenteller auf den Tisch, fischte eine davon heraus und steckte sie Tinchen hinters Ohr. »Only for beautiful ladies«, flüsterte er, bevor er samt Teller weiterzog, um am Nebentisch das gleiche Ritual abzuspulen. Allerdings fand Tinchen die Lady aus Wien-Ottakring alles andere als beautiful, denn sie litt an erheblichem Übergewicht und hatte zur Feier des Abends ihre füllige Oberweite in ein schwarzes Top mit goldenem Tigerkopf vorne drauf gezwängt. Gab’s für dreißig Mark in der Boutique. Und genauso sah es aus, fand Tinchen.
    Vorsichtig entfernte sie die Blume aus ihrem Haar und betrachtete sie. Der große weiße Kelch ging am Blütenansatz in ein leuchtendes Gelb über und erinnerte in seiner Form ein bißchen an den heimischen Krokus, nur mußte man dieses Gewächs

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