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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hier nicht mühsam aus einzelnen Zwiebeln hochpäppeln, es wuchs vielmehr an weitausladenden Bäumen und schüttelte seine Blütenpracht achtlos herunter wie zu Hause im Garten der Kirschbaum. Nur Früchte produzierte es nicht. Aber das schien in Afrika sowieso normal zu sein. Das, was man nicht essen konnte, wuchs in verschwenderischer Fülle, während alles, was Nahrung produzierte, klein blieb. Die schwarzrosa Schweinchen, von denen Tinchen einige über die Dorfstraße hatte flitzen sehen, waren kaum größer als Ferkel gewesen, die Hühner erreichten bestenfalls Wachtelgröße, und sogar die Bananen blieben klein und mickrig. Ein merkwürdiges Land.
    »Du siehst so sitzengeblieben aus, Tine, oder weshalb sonst führst du Selbstgespräche?«
    »Wenn ich mich mit einer halbwegs intelligenten Person unterhalten will, was bleibt mir denn sonst übrig?« Kläglich lächelnd sah sie zu ihrem Bruder auf. »Leistest du mir wenigstens ein bißchen Gesellschaft?«
    »Hatte ich eigentlich nicht vor. Ich will nur meine Kamera holen.« Er nahm den Apparat von der Stuhllehne. »Aber wenn du willst, dann komm doch mit an unseren Tisch. Tobias ist auch da.«
    »Als was denn? Etwa als Alterspräsidentin? Nee, danke, dafür bin ich nicht in Stimmung. Ich werde mich jetzt mit dieser lauwarmen Brühe besaufen und dann schlafen gehen.« Entschlossen goß sie ihr Glas voll und kippte es auf einmal hinunter. »Alte Leute gehören um zehn Uhr ins Bett. Mutti ist schon vor einer halben Stunde gegangen.«
    »Da irrst du dich aber gewaltig!« Nun zog sich Karsten doch einen Stuhl heran. »Mutti sitzt da hinten« – er zeigte die ungefähre Richtung – »mit ihrer neuen Busenfreundin und läßt sich von dem zu kurz Gepflückten den Hof machen.«
    »Doch nicht der von Nummer vierzehn? Über den hat sie sich doch immer mokiert.«
    »Das schon, aber seitdem sie weiß, daß er Arzt ist, sieht sie ihn mit ganz anderen Augen. Du kennst doch ihre Vorliebe für Akademiker. Und wenn sie keine Schuhe anhat, ist sie nur ein ganz kleines bißchen größer als er.«
    »Mutti geht nie ohne Schuhe«, widersprach Tinchen energisch.
    »Eben, deshalb bleiben sie ja auch sitzen.«
    »Was sagt denn Frau Schliephan dazu?«
    »Beobachtet milde lächelnd, wie Toni zu flirten versucht.«
    Frau Schliephan, Witwe mit nicht unbeträchtlichem Einkommen, war mit ihrer Schwester hier, einer pensionierten Bibliothekarin, leider immer noch ledig und zur Zeit auf einer Zehn-Tage-Safari, weshalb Frau Antonie auf die Bekanntschaft des Fräulein Kruse auch noch verzichten mußte. Eine Teilnahme an der Safari hatte Frau Schliephan mit der Begründung abgelehnt, wilde Tiere schätze sie lediglich im zoologischen Garten oder allenfalls noch auf dem Teller, und darüber hinaus fühle sie sich mit ihren einundsiebzig Jahren den Anstrengungen einer solchen Tour nicht mehr gewachsen. Fräulein Kruse war dreiundsiebzig und völlig anderer Meinung.
    Seit der Begegnung in der Boutique, wo die beiden Damen einen verbalen Kampf um die letzte Ansichtskarte mit Löwenrudel vorne drauf ausgefochten hatten, bis Frau Antonie auf das Gruppenfoto mit den Zebras ausgewichen war, sah Tinchen ihre Mutter nur noch selten und dann meistens von weitem. Sogar von den gemeinsamen Mahlzeiten hatte sie sich selber dispensiert und statt dessen den verwaisten Platz von Fräulein Kruse eingenommen. Ausschlaggebend hierfür dürfte wohl gewesen sein, daß sich Frau Schliephans Tisch am oberen Ende des Speisesaals befand, denn von dort hatte man einen ungehinderten Blick auf alles, was sich darin bewegte.
    Zum drittenmal an diesem Abend intonierte die Kapelle die kenianische Touristenhymne, und begeistert fielen deutsche Sangesbrüder ein: »Jambo! Jambo, bwana, habari gani, mzuri sana …« Kaum einer von ihnen wußte vermutlich, was er da eigentlich von sich gab, aber es klang so schön afrikanisch, und mitklatschen konnte man auch.
    Nun hatte Tinchen endgültig genug! Sie stand auf, und während sie sich mit gequältem Lächeln nach allen Seiten grüßend zwischen den Stühlen hindurchzwängte, rekapitulierte sie sämtliche Schimpfwörter, die sie Florian an den Kopf werfen würde. Vorausgesetzt, er tauchte überhaupt noch mal auf. An der Bar saß er jedenfalls nicht mehr, das hatte Tinchen schon vor einer ganzen Weile festgestellt, nur hatte sie leider den genauen Zeitpunkt seines Verschwindens verpaßt. Viel mehr beunruhigte sie, daß auch Mama Caroline nirgends zu sehen war. Normalerweise pflegte

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