Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
jetzt hätte er ruhig noch eine halbe Stunde länger wegbleiben können. Man kann einem Mann schlecht die Tür vor der Nase zuschlagen, wenn er sie vorher erst aufschließen muß.
»Hallo, Mauerblümchen!« Mit einem eleganten Satz wollte Florian über die niedrige Brüstung springen, verhedderte sich jedoch in der dahinter aufgespannten Wäscheleine und landete wenig elegant auf dem Hosenboden. Über seinem Gesicht baumelte ein Bikinioberteil, während sein linker Fuß in Frau Antonies Badeanzug steckengeblieben war, halb in der Luft hing und sich allen Bemühungen, ihn freizustrampeln, hartnäckig widersetzte.
»Hilf mir doch mal!«
»Hilf dir doch selber. Du bist schließlich den ganzen Abend allein zurechtgekommen.« Nur mühsam verbiß sich Tinchen das Lachen. Wie ein gestrandeter Maikäfer lag Florian auf dem Rücken, zappelte mit Armen und Beinen und schaffte es endlich, sich zu befreien. »Ich fürchte, der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen!« Mit anklagender Miene hielt er ein halb abgerissenes Hosenbein hoch. »Hättest du mir geholfen, dann hätte ich nicht Tonis Badeanzug ruiniert. Immerhin hatte das aufreizende Modell schon antiquarischen Wert, weil es wahrscheinlich noch aus der Vorkriegszeit stammt. Soviel ich weiß, ist sie seitdem auch nicht wieder ins Wasser gegangen. Oder hast du sie hier schon mal im Meer gesehen?«
»Nein.«
»Na siehste, wozu braucht sie dann einen Badeanzug? Sie rennt doch sowieso immer nur in diesen von ihr als Strandkleider bezeichneten Säcken herum und beleidigt mein ästhetisches Empfinden.«
»Würde sie dir in blauem Chiffon besser gefallen?« fragte Tinchen spitz.
»Weiß ich nicht, wahrscheinlich.« Er hatte sich hochgerappelt und betastete vorsichtig seine Gliedmaßen. »Wenigstens nichts gebrochen, aber ein paar blaue Flecke habe ich bestimmt abgekriegt.«
»Sei doch froh, neuerdings stehst du doch auf Blau.«
Jetzt wurde er aber doch ärgerlich. »Was sollen eigentlich diese albernen Anspielungen? Wenn du mir etwas vorzuwerfen hast, dann sag es klar und deutlich, aber hör mit diesen kindischen Mätzchen auf! Ich weiß noch immer nicht, wovon du überhaupt redest.«
Da öffneten sich die Schleusen, und wenn Florian vor lauter Schluchzen auch kaum etwas verstehen konnte, so war ihm klar, daß er die Ursache dieser Tränenflut sein mußte.
»… ganzen Abend allein gelassen«, schniefte Tinchen, bevor sie energisch nach einem Taschentuch verlangte. »Und dann bist du auch noch mit dieser dämlichen Ziege in dem blauen Zippelkleid abgezogen.«
» Was bin ich?« Mit spitzen Fingern nahm er das benutzte Papiertuch entgegen, ließ es nach kurzem Zögern auf den Boden fallen und schob es mit dem Fuß unter die Bank. Der Roomboy fegte sowieso jeden Morgen die Terrasse ab. Dann setzte er sich hin und zog Tinchen neben sich. »So, und nun noch mal ganz langsam! Wann soll ich wo mit wem abgezogen sein?«
»Mit Mama Caroline. Erst hast du ihr grüne Drinks bezahlt, und plötzlich wart ihr beide weg.«
»Tine, du solltest deine Brille nicht nur zum Lesen benutzen! Erstens war das Getränk blau und nicht grün …«
»Siehste, schon wieder blau!«
»… außerdem gehörte es Julia …«
»Schöner Vater, der seine siebzehnjährige Tochter Cocktails trinken läßt! Wo bleibt sie überhaupt? Sie gehört längst ins Bett!«
»… war alkoholfrei und folglich harmlos, zweitens habe ich Mama Caroline überhaupt nicht gesehen …«
»Wie kann man jemanden nicht sehen, der direkt neben einem steht?«
»Also gut, nicht bewußt gesehen, und drittens habe ich zusammen mit Backgammon eine Runde Billard gespielt.«
Backgammon hieß eigentlich Weirich, aber weil er ständig mit seinem Spiele-Köfferchen herumlief, hatte Tinchen ihm diesen Namen verpaßt. Schon zum Frühstück nahm er es mit, trug es zur Liege, an den Strand, zum Nachmittagstee, und gestern am Spätnachmittag war er doch tatsächlich auf einer Luftmatratze im Pool herumgepaddelt, vor sich das Backgammonspiel und neben sich im Wasser hängend seine angebliche Frau, die seine Tochter sein könnte und wahrscheinlich keins von beidem war.
»Seit wann kannst du Billard spielen? Du hast doch noch nie ein Queue in der Hand gehabt!«
»Eben. Als ich wegging, haben die Boys immer noch in den Büschen nach der schwarzen Kugel gesucht.«
»Und wo ist Mama Caroline geblieben?« So ganz überzeugt von Florians Unschuld war Tinchen noch immer nicht.
»Herrgott, das weiß ich doch nicht! Sie wird schon irgendein
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