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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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bißchen dramatisiert hatte. Direkt vor einem Lastwagen habe der Junge sie weggezogen, das linke Vorderrad habe noch ihre Schuhspitze gestreift, und beinahe wäre er selbst auf die Fahrbahn gestürzt bei dem Versuch, auch ihre Handtasche zu retten.
    »Hast du ihm wenigstens ein anständiges Trinkgeld gegeben?« Mit einer gewissen Hochachtung wandte sich Julia an den Schwarzen. »Do you speak German?«
    »No, Miss.«
    »What is your name?«
    »William, Miss.«
    Damit endeten Julias Kommunikationsversuche auch schon. »Ich glaube, wir warten doch lieber auf Oma. Ihr Englisch zieht einem zwar die Schuhe aus, aber irgendwie kann sie sich damit besser verständlich machen als wir alle.« Nachdem Tinchen sich geweigert hatte, ihren Retter mit einem lumpigen Trinkgeld abzuspeisen, wußte Julia auch nicht weiter. »Vielleicht fällt Oma was ein, die hat mehr Gespür für so was.«
    Florian war sofort bereit, das Leben seines Tinchens fürstlich zu honorieren, und Karsten wollte noch eines seiner Winterschlußverkaufshemden als Bonus dazulegen, doch Frau Antonie hatte eine andere Idee. Nur kurz hatte sie sich mit William unterhalten, dann entschied sie kategorisch: »Er wird uns als Führer begleiten und entsprechend bezahlt werden.«
    »Wozu denn? Das kann ich genausogut«, protestierte Karsten.
    »Mag sein, aber du mußt dir damit nicht deinen Lebensunterhalt verdienen. Wenn dieser Junge uns die Sehenswürdigkeiten zeigt, hat er das Gefühl, für seinen späteren Lohn auch etwas geleistet zu haben, oder glaubt ihr etwa, diese Leute haben keinen Stolz? Und als Dank für die erwiesene Hilfeleistung werden wir ihn nachher zum Essen einladen.«.
    Sie schwiegen beschämt. Nur Julia brummelte leise vor sich hin: »Zum Glück ist er schwarz, da sieht jeder jedenfalls gleich, daß er eigentlich nicht zu uns gehört.«
    »Du bist ein ekelhafter, aufgeblasener Snob«, flüsterte Tobias zurück. Ihm machte es nicht das geringste aus, mit diesem zwar nicht zerlumpten, aber doch recht ärmlich gekleideten Eingeborenen durch die Stadt zu laufen.
    »Bin ich überhaupt nicht. Ich sehe bloß nicht ein, warum wir den Knaben mitschleppen sollen. Denen kommt es doch sowieso bloß aufs Geld an, ganz egal, womit sie es verdienen.«
    » Du hast noch nie gehungert, mein liebes Kind, ich schon! Damals im Krieg.«
    »Ja, Oma, ich weiß.«
    »Na also. Da fällt mir übrigens etwas ein. Würdest du das bitte in deinen Rucksack legen? Dann brauche ich es nicht ständig in der Hand zu tragen.« Sie reichte Julia eine dunkelgrüne, birnenförmige Frucht.
    »Was is’n das?«
    »Das weiß ich auch noch nicht, Kind, aber es war sehr billig.«
    Mit William an der Spitze begann der lange Marsch, erst zum Fort Jesus, darauf legte Frau Antonie besonders großen Wert. Das trutzige Bauwerk hatte sie sich etwas anders vorgestellt, mehr quadratisch mit einem Palisadenzaun drum herum als Schutz gegen kriegerische Eingeborene, doch dann fand sie dieses gewaltige Gemäuer eigentlich noch viel beeindruckender. Außerdem war es schön kühl in seinem Schatten. Tobias mußte ein Foto von ihr machen mit den sechs Kanonen im Hintergrund, dann ging es weiter zum alten Hafen. Nur mußte vorher noch die Mandhry-Moschee mitgenommen werden. Hübsch sah sie aus so ganz in Weiß mit dem ulkigen Minarett, das große Ähnlichkeit mit einem Zuckerhut hat, und man durfte sogar hinein, allerdings ohne Schuhe.
    »Dann sind hinterher bestimmt meine Strümpfe kaputt«, prophezeite Frau Antonie, »und überhaupt sollte jemand draußen bleiben und aufpassen. Nein, du nicht, Julia, ein junges Mädchen kann hier nicht allein herumstehen bei den ganzen Männern.«
    William erbot sich, Schuhe sowie Fotoapparate zu bewachen, er kannte die Moschee schon, und darüber hinaus sei er ja Christ.
    Kühles Halbdunkel herrschte in dem runden Heiligtum, das mit dicken Teppichen ausgelegt war und nun auch Frau Antonie von der Notwendigkeit überzeugte, diese Kostbarkeiten ohne Schuhe zu betreten. »Man müßte ja mehrmals täglich saugen, das verträgt auch das edelste Gewebe nicht.«
    »Sag mal, ist sie so naiv, oder tut sie bloß so?« Kaum zu verstehen war Florians Stimme, denn er fühlte sich als Eindringling, der hier nichts zu suchen hatte und auf keinen Fall stören wollte.
    Ungefähr zwei Dutzend Gläubige knieten auf dem Boden, Gebete murmelnd, das Gesicht dorthin gewandt, wo vermutlich Mekka lag.
    »Schön ist das hier«, flüsterte Tinchen zurück, »eigentlich viel feierlicher als in unseren

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