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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Immer wieder deutete der Schwarze, dem dieses unhandliche Ding gehörte, aufs Dach, und immer wieder schüttelte der Schaffner den Kopf. Erst ein paar Münzen ließen das Problem aus der Welt schaffen. Kurz entschlossen beorderte er alle Fahrgäste, die nur noch einen Stehplatz gefunden hatten, aus dem Bus, dann dauerte es noch ein Weilchen, bis die Stange endlich im Mittelgang lag, und nun durfte alles wieder einsteigen. Der Korb mit den piepsenden Küken machte weniger Schwierigkeiten, er war flach und wurde in das Gepäcknetz genau über Julias Kopf geschoben. Nur das Messingbettgestell, auf dem ein schwarzer Opa geduldig ausharrte, bis er an der Reihe war, erwies sich als ein bißchen sehr sperrig. Offenbar war niemand auf die Idee gekommen, es auseinanderzuschrauben. Deshalb brauchte es auch seine Zeit, bis es mit Hilfe einiger männlicher Fahrgäste aufs Dach gehievt und festgebunden war. Die Bananenstaude kam obendrauf. Es konnte weitergehen.
    Inzwischen hatte sich der Bus gefüllt. Inder mit Turban und Aktentasche quetschten sich neben farbige Frauen, die an jeder Hand ein Kind und eins im Tragetuch auf dem Rücken zu bändigen versuchten, mittendrin Schulmädchen in Uniform und Eingeborene ohne Schuhe. Neben Florian stand einer mit einem Eimer in der Hand. In der unappetitlichen Brühe schwammen Fische.
    Und plötzlich hatte Tinchen ein Baby auf dem Schoß. Die neben ihr am Haltegriff hin- und herschaukelnde schwarze Mami hatte es einfach abgesetzt. Ungefähr ein Jahr alt, trug es lediglich ein weißes Kleidchen mit viel Rüschen dran sowie eine dazu passende Schleife im Kraushaar, aber kein Höschen und erst recht keine Windel. Vielleicht werden die Kinder hier früher stubenrein als bei uns, hoffte Tinchen, setzte das Baby aber vorsichtshalber zwischen ihre Beine. Sofort krabbelte es wieder auf den Schoß zurück. Die schwarze Mami strahlte. Lebhaft redete sie auf Tinchen ein, die nur hilflos lächelte und immer wieder die kleinen Patschhändchen von ihrer Kette löste.
    Bei der nächsten Station, einer Tankstelle mit angeschlossener Reparaturwerkstatt, in der es aber auch Waschpulver und Spielzeugpistolen zu kaufen gab, leerte sich der Bus. Nur widerwillig ließ sich das Schokoladenbaby von seiner Mami abschleppen. Statt dessen kam der Mann mit der Ziege. Er mußte allerdings ganz vorne neben der Tür stehenbleiben. Die Ziege auch. Erst meckerte sie, dann entdeckte sie den Sitz mit dem zerrissenen Bezug. Seelenruhig fraß sie die Füllung.
    Mautstation. Bevor sie zu sehen war, mußten Mann nebst Ziege aussteigen. Beide trotteten zu Fuß an dem Kassenhäuschen vorbei bis zur nächsten Kurve, dann wurden sie wieder eingesammelt. Die Ziege setzte ihr unterbrochenes Frühstück fort.
    Endlich Mombasa. Am Stadtrand eine Schule, von weißgekleideten Nonnen geleitet, eine Kirche, die ersten Häuser. Kahle Betonklötze mit außenliegenden, von Abfall übersäten Treppenaufgängen. Fast überall hing Wäsche vor den winzigen Fenstern, ausgefranste Hosen, Hemden mit großen Löchern, dazwischen auch mal ein Sonntagskleid, ausgeblichen von der Sonne und immer wieder sorgfältig geflickt. Kinder rauften im Straßenstaub um eine Blechdose, Halbwüchsige hockten im Schatten mit leeren Gesichtern, in denen Hoffnungslosigkeit stand. Sie taten nichts, saßen einfach nur da und warteten. Worauf? Vielleicht auf jemanden, der ihnen für einen Tag Arbeit anbieten würde, vielleicht auf die Gelegenheit zu einem kleinen Diebstahl, vielleicht auch nur auf den Abend, wenn es kühler werden und den Aufenthalt in den von der Sonne aufgeheizten Wohnlöchern erträglich machen würde.
    »Wie um alles in der Welt können Menschen hier leben?« flüsterte Tinchen entsetzt. NEUE HEIMAT auf kenianisch, nur doppelt so heruntergekommen. Warum tat denn hier niemand etwas, um diese trostlosen Silos bewohnbarer zu machen? Wozu zahlen wir Entwicklungshilfe? Wo bleibt das Geld, das wir Touristen ins Land bringen? Sie schloß die Augen. Nichts mehr sehen müssen von dieser Armut, die sich ihr zum erstenmal in unverhüllter Form zeigte. Natürlich kannte sie Elendsbilder von Flüchtlingslagern oder auch damals die Fotos von den Hungernden in Biafra, sie hatte sogar spontan hundertfünfzig Mark gespendet, doch das waren flüchtige Eindrücke gewesen, längst verdrängt und vergessen. Na ja, und die Bewohner des Dorfs gleich hinter dem Hotel sahen wirklich nicht aus, als litten sie Not. Zugegeben, sie lebten in diesen selbstgebauten Lehmhütten

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