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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Gouvernante«, wehrte Julia ab, als Karsten seine Hilfe anbot, »das schaffe ich noch allein. Oder weißt du etwa, was Pflaster auf englisch heißt? Ich kann ja wenigstens demonstrieren, was ich haben will. Gib mir lieber ein bißchen Kleingeld.«
    Er reichte ihr einen Fünfzigshillingschein. »Ich habe keine Ahnung, was hier eine Packung kostet.«
    Julia brauchte nur auf die pfenniggroße Blase zu deuten. Der Apotheker nickte und zog unter dem Ladentisch eine Rolle einzeln verpackter Heftpflaster hervor. »How many?«
    Zwei Stück brauche sie nur, sagte Julia und sah staunend zu, wie er zwei der perforierten Streifen abriß und über den Ladentisch reichte. »Two shillings please.«
    »Noch nicht mal zwanzig Pfennige habe ich dafür bezahlt!« Die geduldig vor der Tür wartende Sippe wunderte sich pflichtschuldig. »Und man muß nur so viel kaufen, wie man wirklich braucht, nicht gleich ein ganzes Päckchen wie bei uns.«
    »Dafür haben die Leute hier auch weniger Geld«, erinnerte Karsten.
    Verpflastert und wieder beschuht, hob sich Julias Laune schlagartig. »Mein Magen sagt mir, daß wir Fütterungszeit haben. Ob es hier in der Gegend irgendwas zu essen gibt, wovon man keinen Durchfall kriegt?«
    William empfahl »Burger’s King«, da bekäme man Hamburger. Die meisten Touristen äßen Hamburger, und ob es in Deutschland keinen Mais gäbe und keine Bohnen?
    »Dann zeigen wir ihm eben mal deutsche Küche. Hier wird doch ein deutsches Restaurant zu finden sein!«
    »Mutti, du bist in …«
    »… Afrika, ich weiß, aber wir haben seinerzeit sogar in Jugoslawien eins entdeckt, und das ist ein kommunistisches Land.«
    In Mombasa fanden sie keins. Indische Küche wurde ihnen angeboten und arabische, und als sie sich schließlich für ein China-Restaurant entschieden hatten, fragte Karsten so ganz nebenbei: »Ist euch eigentlich schon aufgefallen, daß es hier so gut wie keine Hunde gibt?«
    Durch Zufall stießen sie auf ein Lokal mit einem Stück Garten dran, wo man unter schattigen Bäumen sitzen konnte. Eine Speisekarte gab es nicht. Dafür hing drinnen neben dem Tresen eine Tafel mit nur drei Worten: Chicken, Pollo, Huhn.
    »Wienerwald auf kenianisch!« Sieben halbe Hähnchen orderte Karsten, dazu ein Mineralwasser für Frau Antonie, viermal Cola und zwei Halleluja-Bier.
    »Was ich schon immer fragen wollte, Karsten«, begann seine Mutter nachdenklich, »wieso hat dieses Getränk solch einen merkwürdigen Namen? Das ist doch ein Sakrileg.«
    »Genau weiß ich das auch nicht, es gibt nämlich zwei verschiedene Auslegungen. Die eine sagt, das Silberpapier am Flaschenhals sähe aus wie ein Heiligenschein, was ich persönlich für ziemlichen Blödsinn halte, aber die andere Version klingt glaubhafter. Angeblich sind die Eingeborenen nach maximal drei Flaschen von dem Gebräu so besoff … äh, betrunken, daß sie anfangen, Halleluja zu singen.«
    So gut es ging, übersetzte er seinen Monolog. Ob das richtig sei, wollte er von William wissen. Der schüttelte nur den Kopf. Davon habe er keine Ahnung, außerdem sei er Moslem und trinke keinen Alkohol.
    »Nanu, vorhin war er doch noch Christ?« wunderte sich Tobias.
    Das hatte William sogar verstanden. Christ sei er immer dann, wenn er Touristen in eine Moschee begleiten solle. Dorthin gehe er nämlich nur, um zu beten.
    Frau Antonie nickte zustimmend. Sie war es auch, die ihr Besteck zur Seite legte und unter Mißachtung der von ihr so gepriesenen Tischmanieren das Huhn in die Hand nahm. Williams unbeholfener Versuch, dem Vogel mit Messer und Gabel beizukommen, war ihr nicht entgangen. Dankbar folgte er ihrem Beispiel. Die anderen ebenfalls. »Die Messer sind sowieso bloß Dekoration«, behauptete Julia, »damit kannste nicht mal kaltes Wasser schneiden.«
    Während des Essens begann Frau Antonie behutsam, William auszufragen. Wo er denn lebe, wieso er nicht zur Schule gehe, ob er noch Geschwister habe und was denn sein Vater mache.
    Erst stockend, dann immer flüssiger erzählte William. Sechzehn Jahre alt sei er, habe noch eine vierzehnjährige Schwester und Bruder Jimmy, gerade vier geworden und ein bißchen kränklich. Der Vater sei im vergangenen Jahr gestorben, und seitdem müsse er für die Familie sorgen. Deshalb könne er auch nicht mehr zur Schule gehen, obwohl er so gern noch die Abschlußprüfung der Secondary School gemacht hätte. Vielleicht hätte er dann sogar ein Stipendium für die Primary School bekommen und später Aussicht auf einen kleinen Posten

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