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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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ohne Wasser und Strom, aber das taten sie ja schon seit Jahrhunderten und waren offenbar zufrieden damit. Wenn Tinchen durchs Dorf spazierte, winkte man ihr von allen Seiten freundlich zu, noch niemand hatte sie angebettelt, und auch keins der vielen Kinder hatte verhungert ausgesehen. Aber das hier, das war wirklich Armut!
    »Schläfst du etwa schon wieder, Tine?« Sie fühlte sich energisch am Arm gerüttelt. »Wir sind da.«
    »Ich habe nicht geschlafen, ich habe nur nachgedacht. Hast du diese fürchterlichen Wohnblöcke gesehen, Flori?«
    Hatte er nicht. Er hatte auf der anderen Seite gesessen und die unzähligen Holzbuden am Straßenrand bestaunt. Anscheinend war hier jeden Tag und überall Markt. Gewundert hatte er sich über die getragenen Kleidungsstücke, die an fast jedem dieser wackeligen Stände hingen. Der Gebrauchtwarenhandel schien gut zu florieren, besser jedenfalls als der Verkauf von Neuwertigem. Kaum jemand interessierte sich für Plastiksiebe und die bunten Stoffballen, doch an den mit Wäscheklammern oder auch nur an langen Nägeln irgendwo an der Bude befestigten »used clothes« ging selten einer vorbei, ohne sie wenigstens befühlt und manchmal sogar anprobiert zu haben.
    Als Tinchen aus dem Bus kletterte, steckte Frau Antonie gerade das Kölnischwasser-Fläschchen weg, mit dessen Inhalt sie sich ausgiebig Hände und Gesicht abgerieben hatte. »Nun ja, interessant ist diese Fahrt zweifellos gewesen, aber könnten wir für den Rückweg nicht lieber ein Taxi nehmen?«
    »Wo fangen wir denn nun an?« Im Gegensatz zu seiner Schwester, die mit zugehaltener Nase im Schatten eines Torbogens ergeben wartete, sprühte Tobias vor Unternehmungslust. »Wo sind wir hier überhaupt? Auf einer Müllhalde?«
    »Direkt vor dem Gemüsemarkt, einem absoluten Muß für jeden Touristen.« Einladend zeigte Karsten auf die überdachte, an den Seiten jedoch offene Halle, aus der ein penetranter Geruch nach überreifem und verfaultem Obst kam. »Los, Leute, das muß man einfach gesehen haben!«
    Kaum hatte Tinchen ein paar Schritte gemacht und halbherzig einen Blick auf die Vielfalt tropischer Früchte geworfen, als genau vor ihr ein Schwarzer seinen Abfalleimer in die quer durch die Halle laufende Rinne kippte. Sofort stürzte sich ein Fliegenschwarm auf die zermanschten Mangos. Das genügte! »Mir wird schlecht.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte aus der Halle. Erst nachdem sie einen schattigen Platz gefunden und sich eine Zigarette angezündet hatte, ließ der Brechreiz nach. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte sie einen kleinen Supermarkt. Etwas Kaltes zum Trinken wäre genau das richtige, aber nur aus einer verschlossenen Flasche, auf keinen Fall einen dieser farbigen Säfte, die überall von Händlern angeboten wurden. Wer weiß, wo die das Zeug zusammenrührten.
    Als sie gerade die Fahrbahn betreten wollte, fühlte sie sich am Arm zurückgerissen. Noch im Fallen umklammerte sie ihre Tasche. So leicht ließ sie sich nicht ausrauben!
    »Be careful, Madam, here we drive on the lefthand side.«
    Verblüfft sah sie in das lächelnde Gesicht eines jungen Schwarzen. Er half ihr auf die Füße, und nachdem er die verstreuten Münzen aufgesammelt und ihr zurückgegeben hatte, meinte er nur: »All tourists aren’t very careful on the streets.«
    Natürlich, sie hatte mal wieder nicht an den Linksverkehr gedacht und in die falsche Richtung geschaut. Mit ziemlicher Sicherheit wäre sie unter einem Auto gelandet. »You saved my life.«
    Das gerade nicht, wehrte ihr Lebensretter bescheiden ab, aber möglicherweise wäre sie ohne sein Einschreiten ernsthaft verletzt worden. Ob sie denn ganz allein hier in Mombasa sei?
    Sofort beteuerte sie das Gegenteil. Sie warte nur auf ihre Familie, die in der Markthalle sei und jeden Augenblick herauskommen werde. Der Knabe sah zwar ganz vertrauenerweckend aus, aber man konnte ja nie wissen, was sich hinter dieser schwarzen Stirn verbarg. Bruno Kasulkes Horrorgeschichten hatte Tinchen nicht vergessen.
    Als erste tauchte Julia wieder auf. »Das stinkt da drinnen wie in einer Leichenhalle, süßlich und richtig nach Verwesung. Noch zwei Minuten länger, und mir wäre schlecht geworden.« Dann erst sah sie den Schwarzen neben ihrer Mutter stehen. »Warum glotzt er mich so an? Kennst du den etwa?«
    »Er hat mir das Leben gerettet!«
    »Du bist aber auch zu schußlig«, sagte Julia, nachdem Tinchen die lebensbedrohende Situation geschildert und sogar noch ein

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