Huehnerhoelle
Flüche der zum Stiefel gehörenden Dame folgte ihm nach: »Du Miststück, Osterkamp! Lump! Meine ⦠meine Lage so auszuâ¦zunutzen. Penner du! Lass dich nie ⦠nie wieder hier blicken!«
In der Haustür stand eine groÃe, aschblonde Endfünfzigerin in einem pinkfarbenen Morgenmantel, dessen Gürtelenden frei herabhingen. Sie schwankte wie ein Maat im Sturm, versuchte, die Lippen zu spitzen und spuckte ihrem offensichtlich ungebetenen Gast hinterher, so gut es ging. Es landete trotzdem auf dem schwarzseidenen Unterrock, der sich unter ihrem offenen Morgenmantel ans Licht stahl.
Sie schenkte dem Verfluchten noch einen hasserfüllten Blick, und ohne die Polizisten vor ihrem Haus zu beachten, warf sie die Haustür wieder zu.
Mit verbissenem Gesichtsausdruck und wehenden SchöÃen seines dunklen Mantels segelte der Mann hinüber zu seinem Wagen, grüÃte Wagner knapp und verlegen mit dem Autoschlüssel in der erhobenen Hand, stieg hastig ein und brauste davon.
11
Kevin Kuczmanik zeigte verdattert auf die verschlossene Haustür. »War das etwa die Witwe?«, wollte er von Wagner wissen.
»Und ob sie das war!«, bestätigte der. »So hab ich sie aber auch noch nicht gesehen. Junge, Junge.«
Er war sichtlich beeindruckt von ihrem Auftritt. Und fügte dann milde hinzu: »Na ja, man wird ja nicht jeden Tag Witwe.«
»Nein«, sagte Hufeland. »Offensichtlich fehlt ihr noch die Ãbung. Sagen Sie, Wagner, wer war denn der Flüchtige?«
»Das war Kurt Osterkamp. Ihm gehören der Golfplatz und das Golfhotel drüben in Vennebeck-Kapellen.«
»Aha, und in welcher Verbindung steht er zur Frau Kock? Wissen Sie das zufällig auch?«, wollte Hufeland wissen.
Wagner wiegte den Kopf hin und her, sein Otterschwanz machte Bewegungen wie das Pendel einer Standuhr. »Man munkelt so einiges im Dorf. Der Osterkamp soll was mit der Silke gehabt haben. Oder sogar noch haben. Aber auch ohne die Silke waren der Kock und Osterkamp sich spinnefeind.«
»Warum das?«
»Na, weilâs stinkt! In Vennebeck-Kapellen drüben genauso wie mitten im Ort. Direkt neben den Golfplätzen hat der Kock Felder, dort lässt er seinen Hühnermist ab. Jedenfalls bis gestern.«
»Was denn, direkt neben so einem Gestank spielen die Leute Golf?«, wunderte sich Kevin Kuczmanik.
Wagner machte ein süÃsaures Gesicht. »Eben nicht! Nur ein paar wenige immer mal wieder. Die haben sich dann meist von Osterkamps Internetwerbung reinlegen lassen. Und schreiben von seinem Golfhotel aus schon mal wütende Briefe an ihre Anwälte, schätze ich.«
»Mit anderen Worten«, sagte Hufeland, »Golfunternehmer Osterkamp ist der â im Augenblick ungebetene â Hausfreund der Ehefrau. Und gehört finanziell gesehen zu Kocks prominenten Opfern?«
»Aber mit Sicherheit!«, stimmte Wagner lebhaft zu. »Seit vier Jahren sieht der Osterkamp wegen der Hühnermast vom Kock kein Land mehr. GolfmäÃig gesehen. Finanziell dürfte der so gut wie erledigt sein.«
»Tja, und vielleicht«, lachte Kevin plötzlich laut auf, »hat der Golfer dem Kock letzte Nacht mal gezeigt, wie man mit einem Unkrautstecher ins Auge einputtet, was?«
Wagner lachte auf seine seltsam röchelnde Weise herzhaft mit.
Bis Hufeland ihn bat, im Auto auf sie zu warten, solang er und Kuczmanik im Haus mit der Witwe sprächen.
12
Wenn ich Hühnerfarmer wäre, dachte Hufeland, dann hätte ich sie auch geheiratet.
Silke Kock passte auf den ersten Blick zu dem Gewerbe ihres Mannes wie das Gackern zum Huhn. Sie war eine schlanke, fast schon magere Frau, deren Gesichtsbräune dem appetitlichen Farbton eines lecker gegrillten Hähnchens ziemlich nahe kam. Frisch vom Urlaubsgrill oder von der Sonnenbank.
Im Augenblick trug sie Trauer nur in Gestalt ihres schwarzen Seidenunterrocks unter dem offenen Morgenmantel.
Vom Bild der eiskalten Witwe, das Wagner von ihr gezeichnet hatte, war sie promilleweit entfernt. Sie hing tief und schief in den Falten des fettschwarzen Lederfauteuils im Wohnzimmer, wohin Hufeland und Kuczmanik sie mehr getragen als geleitet hatten. Auf dem Glastisch in der Mitte der Sitzgruppe stand eine offene Whiskey-Flasche, zur Hälfte geleert.
Silke Kock war sternhagelvoll. Ihr heruntergeklappter Unterkiefer hatte den Rest des Kopfes unweigerlich nach unten aufs Brustbein hinabgezogen. Der
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