Huehnerhoelle
ihn ein paar Tage nicht mehr gesprochen und keine Ahnung gehabt, dass er dieses Interview überhaupt gegeben hatte. Geschweige denn, wo und wann es gesendet wurde!
»Was hast du ?«, fragte sie Kevin freudig erregt.
Er schüttelte den Kopf. »Heute nichts. Aber du, oder?« An ihren glänzenden Augen erkannte er natürlich, dass sie einen neuen Fang gemacht hatte.
»Jepp.«
»Erzähl!«
»Also«, begann sie lustvoll grinsend, »ich unterhalte mich heute kurz mit einer Patientin, so einer alten Vogelfreundin, ja, darüber, ob Stieglitze eigentlich dasselbe sind wie Dompfaffe.«
»Keine Ahnung«, sagte Kevin. Bilder von knallbunten Singvögeln, die aussahen, als hätten sie ihr Gefieder in einem Malkasten gebadet, tanzten vor seinem inneren Auge.
»Eben, ich wusste es auch nicht mehr. Und genau in dem Moment, ja, wo wir noch rätseln, setzt sich drauÃen auf dem Fenstersims â das Bett der Patientin steht direkt am Fenster â so ein bunter Piepmatz hin. Und pfeift und flötet und scheiÃt munter vor sich hin.«
»Dompfaff?«
»Error.«
»Also Stieglitz.«
»Genau. Und in dem Moment wussten wir beide wieder, die Patientin und ich, dass sie eben doch verschieden sind, Stieglitz und Dompfaff.«
»Hast duâs schon aufgeschrieben?«, fragte Kevin.
»Noch nicht. Aber später«, versprach sie.
AnschlieÃend kutschte Melanie ihn in ihrem altersschwachen Golf zur FriesenstraÃe, wo sein feuerroter Micra vor dem Polizeipräsidium stand wie ein Marienkäfer vor einer Hauswand. Sie verabschiedeten sich mit zwei Wangenküsschen, dann fuhr er zu seiner Wohnung in Kinderhaus, während Melanie noch ihre Eltern besuchen wollte, die am Aasee wohnten.
33
Als der Anruf von van Heest kam, kurz nach zwei am Mittwochnachmittag, war Hufeland gerade im Begriff, seine Wohnung zu verlassen. Van Heest war Erster Kriminalkommissar der Abteilung, oberes Ende der Fahnenstange, was den gehobenen Dienst betraf, und Hufelands Vorgesetzter. Formal gesehen. Persönlich waren sie seit Jahrzehnten befreundet, auch wenn sie sich nur selten auÃerhalb des Dienstes verabredeten. Wozu auch, in der FriesenstraÃe liefen sie sich häufiger über den Weg als van Heest seiner fünfköpfigen Familie (mit Frau, zwei erwachsenen Kindern und Hund Heino). Typisch, dass van Heest ihn jetzt nicht auf dem Diensthandy, sondern privat anrief.
»Felix, Mensch! Warum rufst du mich nicht an, verflucht?!«, beschwerte er sich lautstark, was gar nicht seiner sonst eher defensiven Art entsprach. »Wie gehtâs dir?«, schob er etwas milder nach.
»âtschuldige, Ernst«, knurrte Hufeland. »Habâs versucht, gestern. Aber du warst nicht da.«
»Stimmt«, musste van Heest zugeben. »Wo war ich denn?«, überlegte er laut.
»Kann ich dir nicht sagen, Ernst. Nur, wo ich war. Vorgestern war ich ausgeknockt, gestern Hausärztin, heute Urologe. Bin gerade auf dem Sprung dorthin.«
»Was isses denn?«, erkundigte sich van Heest mit Besorgnis in der Stimme.
»Erfahre ich gleich. Wenn du mich gehen lässt. Gibtâs noch was Besonderes?«, fragte er ungeduldig.
Van Heest räusperte sich. »Mnnjaa«, sagte er gedehnt. »Da ist eine Anzeige reingekommen.«
»Was ist daran besonders?«
»Vielleicht, dass du der Beschuldigte bist. Und der kleine Kuczmanik.«
Hufeland lachte laut auf. »Wahas! Kevin und ich? Angezeigt? Von wem?«
»Von einer gewissen Silke Kock. Frau des Opfers im Mordfall â¦Â«
»Ich weiÃ, ich weiÃ, Ernst. Weshalb zeigt die Dame uns an? Weil wir den Mörder noch nicht gefasst haben?«
Van Heest erklärte es ihm mit knappen Worten.
»Das nimmst du doch nicht ernst, Ernst!«, rief Hufeland halb amüsiert, halb ungehalten aus. »Die will entweder von was Tatrelevantem ablenken. Oder einen Dummen finden für ihre verdreckten, kranken Hühner, die ihr vermutlich keiner mehr abkauft!«
»Wenn, dann zwei, Felix. Zwei Dumme. Und die Sache ist leider auch nicht einfach vom Tisch zu wischen. Ihr Anwalt ist Onnebrink, du weiÃt schon, dieser Wichtigtuer.«
»Ach du Schande.« Onnebrink war der örtliche Staranwalt der Schnöden und Seichten. »Diese Qualle.« Wie war sie denn an den geraten?
»Was hattet ihr eigentlich in dem Stall zu suchen, Felix?«
»Na, Eier bestimmt nicht!«, kläffte
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