Huehnerhoelle
dem der neurotische Held auf dem Weg zum Arzt, der ihm seine Befunde erläutern wird, die Stunde der Wahrheit durchspielt: âºSie haben Krebs, Sir, tut mir leid. Machen Sie am besten Ihr Testament.â¹
Endlich wurde er aufgerufen. Der Arzt hieà Leistenschneider (nomen est omen, dachte Hufeland). Er hatte einen imposanten Zeigefinger, dick und lang wie ein Zimmermannsbleistift, im weiÃen Plastikhandschuh sah er noch bedrohlicher aus. Als er den Langfinger in Hufelands Hinterteil hineinschob und darin herumfuhrwerkte wie mit einem Rührstab, wurde ihm schwarz vor Augen, es fehlte nicht viel, und er wäre vor Schmerz ohnmächtig geworden.
»Prostatitis«, teilte ihm der Arzt anschlieÃend mit. »Sie bekommen von mir ein Antibiotikum verschrieben, und etwas gegen den Schmerz. Schonen Sie sich«, riet er ihm eindringlich. »Prostatitis ist kein Fliegenschiss. Früher hat man die Patienten mit Ihrem Krankheitsbild drei Wochen ins Krankenhaus gesteckt. â Was arbeiten Sie, Herr Hafeland?«
»Ich bin Polizist«, antwortete Hufeland und überlegte, ob er den Doc seinerseits vielleicht Leichenschneider nennen sollte.
»Hm. Viel drauÃen unterwegs?«
Hufeland dachte an Vennebeck, da drauÃen im Münsterland. »Zurzeit schon.«
»Warmer Hintern, warme FüÃe, kein Alkohol, kein Sex. Und vor allen Dingen â¦Â« Der Leistenschneider hob mahnend die Brauen.
»Ja?«
»Nicht Radfahren.« Eine Mahnung, die in Münster offenbar mit besonderem Nachdruck ausgesprochen werden musste. »Rezept bekommen Sie vorn. Gute Besserung, Herr Hafeland.« Er streckte zum Abschied die riesige Hand über den Schreibtisch. Mit respektvollem Blick auf den Zimmermannsfinger ergriff Hufeland sie nur zögerlich.
35
Der Wind hatte nachgelassen, doch die geschlossene Wolkendecke des späten Nachmittags lieà nur noch ein bleiernes Licht zu, vor dem man am liebsten in Deckung gegangen wäre.
Hufeland schleppte sich die LambertistraÃe entlang in Richtung Wolbecker, um in der Hubertus-Apotheke seine Medikamente zu besorgen. Auf der anderen StraÃenseite lockte die mintgrüne Fassade des âºScharfen Hahnsâ¹, wo er sonst gern ein saftiges Brathähnchen gegessen hatte. Kein Appetit. Vielleicht konnte er nie wieder Huhn â irgendein Federvieh! â essen. Eine Thaimassage im WatPo nebenan wäre im Augenblick ohnehin angebrachter. Doch es konnte nur falsch verstanden werden, wenn er um eine Spezialmassage für seine Prostata bitten würde; das WatPo war ein seriöses Haus.
Auf dem Heimweg kam er bei Garten Geyer vorbei und ging spontan hinein. Die freundliche junge Verkäuferin mit dem blitzenden Ring in der Oberlippe hatte rasch das Gerät gefunden, das er sehen wollte.
Der âºFinito Classic Line Unkrautstecherâ¹ kam der Mordwaffe im Fall Kock ziemlich nahe. »Griff aus Hartholz, Metallteil aus Edelstahl, formschöne und stabile Arbeitsfläche hier vorn.« Die Verkäuferin wies mit dem ausgestreckten Zeigefinger (er zuckte leicht zusammen) auf den Zweizack an der Spitze des Geräts, das insgesamt gut 25 Zentimeter lang und nur zwei Zentimeter breit war. »Damit stechen Sie alles ab, was Ihnen in die Quere kommt«, lachte das Mädchen, ihr silberner Lippenring lachte kräftig mit.
Hufeland wog das Ding in der Hand und fügte der Ladenluft ein paar kräftige Stiche zu.
»Sind Sie ⦠Fechter oder so was?«, fragte die Verkäuferin mit der schiefen Ebene ihres irritiert verzogenen Munds.
»Mehr ein Stecher momentan«, lachte Hufeland. Und merkte erst, als die Kleine rot wie eine Tomate anlief, was er da Zweideutiges gesagt hatte.
Er gab ihr das Gerät zurück, sagte: »Sie haben mir sehr geholfen«, und machte, dass er aus dem Laden kam.
Zu Hause angekommen rief er Sabine im Präsidium an und teilte ihr mit, dass er bis Ende der Woche krankgeschrieben sei.
»Du willst mir doch nicht sagen, dass duâs so lang ohne mich aushältst, Felix«, gurrte sie rauchig.
»Zwangspause, halt«, sagte Hufeland.
»Wo zwicktâs denn, Mäuschen?«
»Sag ich nicht.«
»Ach, komm! Jetzt mal im Ernst.«
»Nee, im Schritt.«
»Ich komm vorbei.«
»Andermal, Sabine.«
36
Sehr früh am Donnerstagmorgen rief er Kevin an. Gerade noch rechtzeitig, bevor der sich wieder solo auf den Weg nach Vennebeck machte. Er zitierte ihn zu
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