Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Beckmann
Vom Netzwerk:
brutal. Das verändert die Leute.«
    Â»Aber manche, dein Leser aus Dinkel zum Beispiel, wollen den Dreck vor ihrer Haustür nicht auch noch im Buch lesen. Die wünschen sich eben die guten alten Zeiten zurück«, warf Hufeland ein. »Die neue Zeit macht ihnen Angst.«
    Â»Möglich«, räumte Köttering ein. »Aber die guten alten Zeiten hat’s in Wahrheit nie gegeben. Schon gar nicht für alle, sondern immer nur für sehr wenige Nutznießer. Und in der Fantasie von solchen Leuten wie diesem Fanatiker aus Dinkel.«
    Â»Eben. Deshalb findet er dich fantasielos und ärgert sich, wenn du ihm die Welt vorenthältst, die er doch sieht.«
    Â»Soll er sich ärgern. Und von mir aus ins Fantasialand gehen. Oder die Brüder Grimm lesen.« Köttering nickte trotzig und verschränkte die Arme vor sich auf dem Thekenrand.
    Puh! Köttering hatte sich nicht verändert. Ein Bruder Ingrimm wie er selbst. Hufeland trank sein Bier aus und bestellte ein neues. Antibiotika hin oder her.
    Â»Was hast du deinem Leser nun eigentlich geantwortet nach der Kritik?«, wollte er nun aber noch wissen.
    Köttering schraubte ein Auge zu ihm herum und schürzte zum ersten Mal an diesem Abend leicht amüsiert die dünnen Lippen unter seinem Fusselbart. »Provinz, habe ich ihm gesagt, ist eine Kategorie des Geistes. Nicht des Ortes.«
    Hufeland lachte. »Aus deiner Sprüchesammlung?«
    Köttering führte seit Jahrzehnten, nicht erst, seit er Kriminalromane schrieb, Listen mit Sprüchen und Sentenzen zu allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen. Und war dadurch immer wieder in der Lage, mit einem passenden (oder unpassenden) Bonmot zu überraschen.
    Â»Von einem Krimikollegen«, bestätigte er mit einem knappen Nicken. »Hat ihn einer Holländerin in den Mund gelegt. Ausgerechnet. Der einzige Satz in dem ganzen Buch, der was taugt. Hab ihn mir gleich rausgeschrieben.«
    Â»Nett, wie du über deine Schreiberkollegen sprichst«, sagte Hufeland. »Erzähl mir lieber, was dein spezieller Leser dir darauf gesagt hat!«
    Â»Gesagt hat der gar nichts mehr. Er sprang gleich auf und wollte mir an die Gurgel. Konnte nur mit Mühe zurück auf seinen Stuhl gedrückt werden, haha.« Ein fettes, feuchtes Lachen sprang aus seiner Kehle bei der Erinnerung an die Szene.

40
    Â»Blumen! Das ist lieb von dir, Bernd«, freute sich seine Mutter, als er sie am Samstag früh besuchen kam. Ihre Augen glänzten, als er den bunten Herbststrauß in die Vase mit frischem Wasser stellte. Sie trübten sich aber gleich wieder ein (die Augen), als sie bitter hinzufügte: »Felix hat mir schon seit Wochen keine Blumen mehr gebracht.«
    Â»Aber Mama …«, wollte Hufeland widersprechen und sie dezent darauf hinweisen, dass er keineswegs sein Bruder Bernd war. Der hatte sich mit Sicherheit schon ein halbes Jahr nicht mehr blicken lassen. Doch Hufeland gab es auf, es war immer noch besser, für den Bruder als für den Heiland gehalten zu werden. Er fütterte ihr den bunten Morgenbrei und wollte ihr anschließend das Gebiss einsetzen. »Wo hast du es?«
    Â»Felix weiß es.«
    Â»Felix?!«, fragte er schrill. »Wieso ich?«
    Â»Nicht du! Felix hat es versteckt.«
    Â»Versteckt? Wie kommst du denn darauf, Mama?«
    Â»Letztes Mal hat er es in die Vase getan. Zu den Blumen.« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Gott, was der mit mir macht. Der eigene Sohn.«
    Hufeland seufzte tief. Und begann, zwischen den Sachen auf dem kleinen Tisch zu kramen. Er fand das Gebiss recht schnell diesmal. Es lag als Lesezeichen in ihrem Gebetbuch.
    Um kurz nach zehn fuhr er los. Verließ die geschäftige Stadt unter einem mattblauen, locker bewölkten Himmel und ließ fahlbraune Äcker, dumpfgrüne Weiden, spätherbstliche Wälder und verstreut liegende Gehöfte an sich vorbeiziehen. Hin und wieder traf ihn ein greller Lichtpfeil, wenn er in den Rückspiegel schaute und das Gefühl nicht loswurde, er sollte einfach weiter fahren, immer weiter nach Westen, über die Grenze bis ans Meer, wo sich gigantische Wolkenambosse auftürmten, wo das Salz die Luft reinigte, wo der Horizont sich magisch vor ihm bog und … Da fiel ihm ein, dass er vor einigen Jahren bei einem Wochenendausflug an die Nordsee, in Katwijk aan Zee war das (mit Grit natürlich), beinahe von einem verbotenerweise den

Weitere Kostenlose Bücher