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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Hinter ihr stand ein Mann, der möglicherweise einer der falschen FBI-Agenten in Marcus’ Büro war. Ich konnte mich nicht genau erinnern. Er war stämmig und dunkelhaarig und versteckte sich im Schatten, so dass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte.
    Ich stand auf, und Jack stellte sich vor mich. Er kannte diese Leute nicht; die Waffen, die sie zweifellos bei sich trugen, waren nicht zu erkennen. Aber er hatte instinktiv begriffen, dass sie uns nichts Gutes wollten, und er handelte, um mich zu schützen.
    Ich griff nach dem Revolver in meiner Tasche und unklammerte ihn mit aller Kraft.
    »Ich habe eine Waffe!«, schrie ich von hinter Jacks Rücken.
    S drehte sich zu ihrem Komplizen um, und beide begannen zu lachen. Es erfüllte mich mit solcher Wut, dass ich am liebsten den Revolver gezogen und geschossen hätte, aber die beiden liefen einfach los. Beim Umdrehen winkte sie mir noch freundlich zu. Dann wurden sie von den nächtlichen Schatten verschluckt und waren weg. Ich ließ sie entkommen, fühlte mich kraftlos und wie betäubt. Mir war klar, ich hatte gepokert und verloren. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir herumstanden und ihnen nachstarrten. Dann hörten wir Polizeisirenen in der Ferne.
    »Wir sollten hierbleiben und auf die Polizei warten«, schlug Jack vor. »Und ihnen alles erzählen.«
    Wie unvernünftig wir sind, wenn wir eine große Liebe verloren haben. Wie wütend, wie ratlos wir uns fühlen, wenn sie uns genommen wird, so als hätten wir ein Anrecht, sie für immer zu behalten. Wir betrachten die Liebe nicht wie ein organisches Wesen, das welken und sterben kann wie Blumen in einer Vase. Wir vergleichen sie lieber mit Mineralien und Edelsteinen, die die Zeit unverändert überdauern. Wenn die Liebe stirbt, glauben wir, man hätte uns einen wertvollen Gegenstand gestohlen. Wir jagen ihm nach, betteln um seine Rückkehr, rächen uns für den Verlust und versuchen, ihn zurückzustehlen. Wir bedenken nicht, dass die Liebe sich auflösen kann wie ein Nebel, dass sie so vergänglich ist wie das Leben selbst.
    Ich hatte meinen Zorn nicht unter Kontrolle.
    »Ich muss meine Handtasche und mein Geld holen«, sagte ich und hielt Jacks düsterem, sorgenvollem Blick stand.
    »Iz.« Er legte mir seine Hände auf die Schultern, ich die meinen auf seine. Das Jaulen der Sirenen wurde lauter.
    »Bist du mein Freund?«, fragte ich.
    »Iz.«
    »Bist du?«
    »Natürlich.«
    »Dann gib mir deine Schlüssel. Sag mir, wo das Geld ist, und dann lass mich gehen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Versuch’s doch. Nur über meine Leiche. Ich bin nicht Erik. Du wirst mich schon erschießen müssen.«
    Ich ließ den Kopf hängen. »Bitte, Jack. Ich kann ihn nicht so einfach davonkommen lassen. Ich würde mir das nie verzeihen und daran zugrunde gehen.«
    Ich schaffte es nicht, ihm in die Augen zu schauen. Ich wollte ihm nicht zeigen, wie groß meine Wut und meine Scham waren, wie tief meine Verzweiflung.
    »Okay«, stöhnte er. »Komm.«
    Die Krankheit, die Marcus in mein Leben gebracht hatte, war dabei, alles und jeden zu infizieren, selbst Jack. Aber er war immer mein Mitverschwörer gewesen, niemand verstand mich besser als er, und so war es kein Wunder, dass wir plötzlich zu zweit an dieser Geschichte strickten, deren Ende wir beide nicht kannten. Wir hatten unzählige Plots durchdiskutiert, hatten über Motive, Plausibilität und die Glaubwürdigkeit meiner Charaktere gestritten. Natürlich wollte er mir dabei helfen, das Rätsel meiner Ehe zu lösen. Ich hätte ihn überreden können, mich allein gehen zu lassen, denn ich wusste, er liebte mich genug, um mir jeden Wunsch zu erfüllen. Aber die Wahrheit war, dass ich nicht allein gehen wollte.
    Wir nahmen uns an der Hand und liefen los.
     

NEUNZEHN
    L inda gelang es nicht abzuschalten, wenn es um ihre Kinder ging. Niemals machten sie und Erik allein Urlaub, so wie andere Eltern es taten, dabei hätten sie die Kinder jederzeit bei Izzy oder den Großeltern unterbringen können. Linda konnte sich einfach nicht vorstellen, sich in ein Transportmittel zu setzen, das sich in die Lüfte erhob und sie hunderte oder tausende Kilometer von Trevor und Emily entfernte. Margie fand das sehr unvernünftig. Sie war überzeugt, dass Lindas Ehe früher oder später darunter leiden würde, dass die Kinder zu abhängig und niemals selbstständig werden würden. Vielleicht hatte sie recht. Linda und Erik steckten in einer Krise. Als Linda die Kinder zu Eriks Mutter brachte, weinte Trevor

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