Huete dich vor deinem Naechsten
seinen Daddy?«
Die Leitung war plötzlich tot, und Grady genoss einen Moment hämischer, selbstgerechter Freude. Er war hier das Opfer, er hatte sich an den Treueschwur gehalten, und das rieb er ihnen nur zu gern unter die Nase. Es schenkte ihm Trost. Clara und Sean hatten viele Menschen verletzt, nur um zusammen sein zu können; er hoffte, dass sie wenigstens nicht mehr gut schliefen.
Aber nach einer Weile war seine Freude verflogen, und es beschlich ihn das Gefühl, noch ein Stückchen tiefer gesunken zu sein. Und das war wirklich tief. Jetzt würde Clara böse auf ihn sein, weil er sie bei Sean verpetzt hatte. Falls sie noch einmal anrief, würde er ihre Wut und Enttäuschung zu spüren kriegen. Sie hatte ihn in einem schwachen Moment angerufen, und er hatte es gegen sie verwendet. Er wünschte sich, er könnte seine Worte zurücknehmen. Er wünschte sich, er hätte sie beschützt, stattdessen hatte er sie geopfert, um Keane eins auszuwischen.
Einer von Claras denkwürdigen Sätzen fiel ihm ein: Du bist nicht einmal erwachsen genug, um ein Ehemann zu sein. Was für einen Vater würdest du erst abgeben?
»Scheiße.« Am liebsten hätte er aufs Armaturenbrett geschlagen, aber seine Faust schmerzte noch vom letzten missglückten Telefonat. »Scheiße.«
Als er sich beruhigt hatte und das Polizeirevier betrat, kam Jez gerade heraus.
»Mach dir keine Mühe«, sagte sie, »der Anwalt ist schon da. Warum hast du so lange gebraucht?«
»Ich habe einen Parkplatz gesucht«, antwortete er schlapp.
Jez wirkte skeptisch, verschonte ihn aber mit ihrem Ärger. Stattdessen klopfte sie ihm auf den Rücken, damit er sich in Bewegung setzte.
»Na komm schon«, sagte sie. »Wann bist du zum letzten Mal tanzen gegangen?«
»Ist so lange her, dass ich es vergessen habe.«
Jez brummte leise. »Willkommen im Klub.«
ACHTZEHN
I ch hatte die Angewohnheit, in stressigen Situationen mit den Fingernägeln an der Innenseite meiner Hand an meinem Ehering zu ziehen. Nun wurde ich jedes Mal, wenn ich es versuchte, daran erinnert, dass er verschwunden war.
Ich hatte keinen gewöhnlichen Ehering getragen, weil ich das aus irgendeinem Grund ablehnte, so als stellte es ein Bekenntnis zur Normalität dar, zu allgemein gültigen Vorstellungen von der Ehe. Der Ring, den Marcus mir zur Verlobung schenkte, ein Rubin in Platinfassung, war das einzige Schmuckstück, das ich je getragen hatte. Ich liebte sein rotes Feuer, die schlichte Schönheit des reinen aus der Erde geschürften Steins. Er war nicht nur schön, sondern prächtig. Aber letztendlich war alles nur schöner Schein gewesen. Und den Ring hatte ich, wie alles andere auch, verloren.
»Das ist alles, was mir von meiner Mutter und meiner Vergangenheit geblieben ist. Ich weiß nicht, wie sie an einen solchen Stein kam, aber meine Tante hat ihn mir gegeben, als ich in die Staaten flog. Ich habe den Ring für dich anfertigen lassen. Er soll dir gehören.«
Ich wollte mehr über den Edelstein und Marcus’ Mutter erfahren. Aber er sagte, er habe nur verschwommene Erinnerungen. Er könne sich an ein lächelndes, von Locken umrahmtes Gesicht erinnern, an den Geruch von Zitronenverbene. Mehr nicht. Von seinem Vater wusste er nichts mehr. Für mich, die Romanautorin, war es furchtbar frustrierend, von den Gefühlen und der Vergangenheit meines Mannes ausgeschlossen zu sein. Ich stellte mir vor, dass seine Mutter den Rubin von dem Mann erhalten hatte, den sie liebte, vielleicht nicht von Marcus’ Vater, sondern von einem rumänischen Zigeuner, und dass sie den Stein versteckt hielt, vielleicht in ein Kleidungsstück eingenäht. Niemals betrachtete sie ihn, aber sie tröstete sich mit dem Gedanken an seinen Glanz, an das feurige Rot. Es erinnerte sie an die Liebe. Ich stellte mir vor, sie hätte sich gefreut zu wissen, dass der Stein endlich ans Tageslicht gekommen war und an der Hand einer Frau steckte, die ihr Sohn liebte und geheiratet hatte. Diese Fantasien behielt ich für mich. Marcus sprach nicht gern über die Vergangenheit, er wurde dann ganz starr und kalt. Ich redete mir ein, es sei zu schmerzlich für ihn. Wahrscheinlich war es ihm einfach nur zu kompliziert, sich nicht in den Lügen zu verstricken.
»Woran denkst du?« Jack ging zu meiner Linken, zur Rechten erstreckte sich der Park.
»An meinen Ring. Er ist weg. Irgendjemand hat ihn mir abgenommen.«
»Das tut mir leid. Es war mir aufgefallen. Ich dachte, du hättest ihn abgelegt.« Hinter uns hörten wir schnelle
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