Huete dich vor deinem Naechsten
einziger Mensch. Er war sehr überrascht und nahm den Anruf sofort an.
»Ich hätte nie gedacht, dass du anrufst«, sagte er zur Begrüßung.
Es folgte eine Pause, und man hörte leises Atmen. Er konnte ihren Pfefferminzatem fast riechen.
»Ich auch nicht«, sagte sie schließlich. Ihre Stimme klang niedlich, sie sprach mit einem leichten englischen Lispeln, das Bände über ihren Reichtum und ihre Bildung sprach. »Was du gesagt hast … dass du keine Zeit für Spielchen hast … das hat mir gefallen. Ich … ich will auch keine Spielchen.«
»Dann sehen wir uns heute Abend?« Er hatte die Fähigkeit, zögerlich, nervös und verletzlich zu klingen, obwohl er das Gegenteil fühlte.
»Ja«, sagte sie sanft. »Ja, sehr gern.«
DREIUNDZWANZIG
I n Ben Jamesons Einzimmerapartment fand die Polizei erdrückende Beweise für Bens krankhafte Fixierung auf Linda. Stapelweise Zeitungsausschnitte, Fotos von Interviewterminen, aber auch von ihr und den Kindern beim Einkaufen, von ihr und ihrem Mann beim Abendessen, vom Yoga. Er hatte sie beschattet. Er hatte die fiktive Affäre in einem Tagebuch dokumentiert.
Er besaß zwei kleine Töchter und war verheiratet gewesen, aber seine Frau hatte ihn schon vor Jahren verlassen. Die Kinder durfte er immer nur kurz und unter Aufsicht sehen. Seine Frau hatte ihm Gewalttätigkeit und psychische Probleme unterstellt und ihn verlassen, nachdem sie wegen einer Gehirnerschütterung und einer gebrochenen Nase im Krankenhaus gelandet war. Sie liebte ihn noch, fürchtete sich jedoch vor seinen Wutausbrüchen und dem tiefen Loch der Depressionen, in dem er manchmal wochen- oder monatelang verschwand.
Wenn er seine Medikamente nahm, war er ihrer Aussage nach der netteste, liebevollste Mann, fürsorglich und romantisch. Vergaß er sie, mutierte er zum Monster. Während des vergangenen Jahres hatte sie sich Hoffnungen gemacht. Er hatte stabil gewirkt, seine Medikamente regelmäßig eingenommen und glücklich ausgesehen. Die Besuche bei seinen Töchtern liefen friedlich und fröhlich ab. Dabei war es nur die Affäre mit Linda Book gewesen, die ihm Auftrieb gegeben hatte. Als er die Medikamente absetzte, ging es schnell mit ihm bergab.
»Wir haben uns in einer Galerie kennengelernt, die meine Fotos ausstellte«, erklärte Linda Erik. »Weißt du noch, es gab einen Schlagabtausch, weil er eine meiner Ausstellungen verrissen hatte. Aber es war okay, wir haben sogar gelacht. Er hat ein paar Tage später angerufen, um sich zu entschuldigen. Wir haben uns auf einen Kaffee getroffen. Ich wollte meine Kontakte pflegen, verstehst du. Dann hat er immer wieder angerufen. Eine Woche später stand er vor meinem Yogastudio und behauptete, er sei in der Gegend, um eine andere Fotografin zu interviewen. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt.«
»Warum hast du mir nichts erzählt?«
»Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.«
»Seit wann lief das, Linda?«
»Sechs Monate. Oder so.«
»Linda!«
»Wir hatten so viel Stress. Ich wollte es nicht noch schlimmer machen. Ich dachte, vielleicht verschwindet er, wenn ich ihn ignoriere. Er war immer sehr höflich, hat nie verrückt gewirkt. Ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich habe ich mich einfach über die Aufmerksamkeit gefreut.«
Erik hatte den Kopf in die Hände gestützt und schwieg.
»Es tut mir leid.«
Sie hasste sich dafür, das Wesentliche verschwiegen zu haben, aber sie schaffte es einfach nicht, Erik die Wahrheit zu sagen und die Basis ihrer Ehe weiter zu schwächen. Ben war tot. Seine Besessenheit war offensichtlich und aktenkundig. Anscheinend war niemand auf den Gedanken gekommen, die Affäre könnte tatsächlich stattgefunden haben. Niemals hatte sie ihm Nachrichten auf Band gesprochen oder Mails geschickt. Sie wusste, im Zweifelsfall würde man herausfinden, dass er sie ständig und sie ihn kaum angerufen hatte. Dann würde sie behaupten, sie habe bloß zurückgerufen. Sie würde sagen, sie habe Ben für einen Bekannten, wenn auch nicht für einen Freund gehalten. Sie habe nicht unhöflich sein wollen. Immerhin arbeitete er für eine wichtige Zeitung. Sie wusste, dass alle SMS, die sie ihm geschickt hatte, vage und unverdächtig klangen. Darauf hatte sie stets geachtet.
»Hast du mit ihm geschlafen, Linda? Hattet ihr eine Affäre?«
Mit der Frage hatte sie nicht gerechnet. Sie versuchte, die Entrüstete zu spielen, aber es klappte nicht. Sie brachte nicht einmal eine Antwort heraus.
»Gestern Abend am
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