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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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verstehen, und warf mir nur einen verständnislosen Blick zu.
    »Sie heißt Petra«, sagte Ales. Er saß auf dem Fahrersitz und lenkte den Wagen über die lange, gewundene Landstraße, auf der wir hergekommen waren. Die Sonne ging unter, es war später Nachmittag. Keine anderen Autos, so weit das Auge reichte, weder vor noch hinter uns.
    »Sie darf das Waisenhaus verlassen, wie es ihr gefällt?«, fragte ich, immer noch mit der Frage beschäftigt, ob wir soeben ein Kind gekidnappt hatten.
    »Sie ist keine Waise«, erklärte Ales ungeduldig. »Sie lebt nicht hier.«
    »Wer ist sie dann?«
    Petra und ich saßen hinten, Jack und Ales vorn. Jack, der mich nicht mehr beachtete und schmollend aus dem Fenster starrte, drehte sich zum Fahrer um.
    »Wer ist sie dann?«, wiederholte er.
    Ales wollte gerade antworten, als der Wagen langsamer wurde, der Motor ins Stocken geriet und schließlich den Geist aufgab. Ales lenkte den Wagen auf den Seitenstreifen.
    »Was ist los?«, fragte Jack und setzte sich auf. Er runzelte misstrauisch die Stirn.
    »Keine Ahnung«, antwortete Ales. Er griff nach unten und zog einen Hebel, woraufhin die Motorhaube aufsprang. Die beiden Männer stiegen aus und verschwanden hinter der Haube. Ich wollte ebenfalls aussteigen, denn plötzlich hatte ich das Gefühl, Jack nicht mehr aus den Augen lassen zu dürfen. Aber Petra hielt mich am Arm fest. Ich schaute sie an. Sie schüttelte lächelnd den Kopf. Im selben Augenblick sah ich den Revolver.
    »Jack«, schrie ich und zuckte zurück, »Jack!«
    Die Motorhaube wurde zugeknallt. Dahinter stand nur Ales, der uns nun durch die Windschutzscheibe betrachtete. Ich versuchte, aus dem Auto zu klettern, hielt aber inne, als mir der Revolver schmerzlich in die Nieren gerammt wurde. Ales stieg ein, ließ den Motor an und verriegelte die Türen.
    »Wo ist er?«, schrie ich hysterisch. Die Panik raubte mir den Verstand.
    Weder Petra noch Ales sagten ein Wort, als Ales den Gang einlegte und wieder auf die Straße fuhr. Petra beobachtete mich aus ihren toten Augen und drückte mir den Revolver in die Rippen. Im Rückspiegel sah ich Jack am Straßenrand liegen.
    »Jack! Jack!«
    Ich weinte fast vor Erleichterung, als ich merkte, dass seine Beine sich bewegten. Schließlich rappelte er sich auf, rannte dem Auto hinterher und ruderte mit den Armen. Dann bog der Mercedes um eine Kurve, und Jack war verschwunden. Ich bekam kaum etwas von dem Schlag gegen meinen Hinterkopf mit, und dann wurde mir schwarz vor Augen. Wieder einmal.
     

SIEBENUNDZWANZIG
    I ch sehe Trevor in der Ecke des Hinterhofs stehen. »Frohe Weihnachten, Izzy.«
    »Trev, was tust du hier? Das ist gefährlich.«
    Er kommt langsam näher. »Izzy, ich hab’s dir doch gesagt. Du brauchst eine Waffe.«
    »Ich weiß. Ich weiß. Du bist ein cleverer Junge. Trevor, hör mal, sagst du deiner Mom, dass ich sie sehr, sehr lieb habe? Sag ihr, dass es mir leidtut, okay?«
    »Sag es ihr doch selbst.« Er lächelt mich an.
    Aber nein, ich liege allein in einem Hof. Überall Müll. Ein Stapel alter Reifen, ein kaputter Holztisch, eine Kiste mit durchweichten Büchern. Ein dreibeiniger Stuhl, zerbrochene Blumenkübel. Eine schwarze Katze springt wie aus dem Nichts auf eine alte, verbeulte, rostige Blechtonne. Sie setzt sich und beobachtet mich. Ich bilde mir ein, Stimmen zu hören. Und Sirenen. Ich höre meinen Namen, aber wahrscheinlich ist es nur der Wind.
    Isabel … Isabel.
    Wie bin ich hierhergekommen? Die Erinnerungen stellen sich bruchstückhaft ein.
     
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich, an Händen und Füßen gefesselt, auf einem kalten Betonboden. Ales und Petra waren verschwunden. Im ersten Moment fühlte ich mich wie benebelt, im nächsten hellwach. Sofort machte ich mich daran, meine Fesseln aufzuscheuern. Es gab kaum Licht, nur durch ein kleines Fenster oben an der Wand fiel ein milchig grauer Lichtstreifen ein. Ein Kellerraum. Ich konnte es an der Kälte, dem Modergeruch und der Finsternis erkennen. Ich lag in einer Art Holzkäfig. Ringsum entdeckte ich weitere Verschläge. In einem standen ein Fahrrad und ein Bücherregal, in einem anderen ein Kofferstapel, Bücherkisten, ein alter Hometrainer. Ich lag in einem Lagerraum - einem wenig benutzten, wie es schien.
    Ich hatte in Prag gigantische Garagentore gesehen, die sich auf Knopfdruck lautlos öffneten, und Autos, die in praktisch unsichtbaren Einfahrten verschwanden, vor allem vor Botschaften und Luxusapartmenthäusern.
    Ich überlegte, wie ich

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