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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Schlag, ganz für mich allein. Vor meinen Augen ging ein roter Vorhang nieder, und dann sah ich nur noch ihre schweren, schwarzen Stiefel und den Fußboden, der mir entgegenkam. Ein bläuliches Licht, und dann nichts als Dunkelheit.
     

VIER
    I rgendjemand schrie: »Hilfe! Um Gottes willen, helfen Sie mir bitte!« Es stank nach Urin, außerdem nach einem beißenden Desinfektionsmittel. Und da war noch ein dritter Geruch, süß und metallisch. Blut. Das gedämpfte Geräusch schneller Schritte. Ein klingelndes Telefon. Grelles, weißes, viel zu helles Licht. Das Telefonklingeln wollte nicht aufhören und bohrte sich wie eine Lanze in meinen Kopf. Ich versuchte, mich zu bewegen, woraufhin der Schmerz hinter meinen Augen und in meinem Nacken explodierte. Als meine Augen sich endlich an das Licht gewöhnt hatten, erkannte ich Lindas Gesicht. Meine Schwester. Sie hatte gerötete Augen und dunkle Augenringe. Hinter ihr standen Emily und Trevor dicht nebeneinander an einer weißen Wand und schauten sich mit riesigen, weit aufgerissenen Augen um. So sind sie eben; ihre Neugier ist stärker als ihre Angst.
    »Sind Sie verrückt? Wir warten schon seit fünf Stunden ! Sie hat eine Kopfverletzung .« Ich erkannte Eriks Stimme, sie klang laut und wütend.
    Ich lag auf einer Trage, abgestellt im schmutzigen, lauten Flur einer Notaufnahme. Ich tippte auf das St. Vincent’s im Village und hatte keine Ahnung, wie ich hergekommen war.
    Eriks Toben wurde mit einer knappen, trockenen Antwort bedacht, die ich nicht verstehen konnte. Irgendetwas von zwei Schlaganfällen und einer Schusswunde. »Sie ist seit Stunden bewusstlos«, sagte Erik laut, »Sie können mir nicht erzählen, das sei harmlos. Sie wurde noch gar nicht untersucht.«
    »Sir, treten Sie bitte beiseite«, antwortete eine tiefe Frauenstimme, drohend und lauter diesmal. »Bitte setzen Sie sich, sonst werde ich Sie bitten müssen zu gehen.«
    In Situationen wie diesen ging Eriks Temperament mit ihm durch. Wenn er sich ungerecht behandelt fühlte, brannten bei ihm alle Sicherungen durch - ganz bestimmt hätte er eine ganze Reihe von Flüchen vom Stapel gelassen, wären die Kinder nicht dabei gewesen. Ich konnte nicht hören, ob er noch irgendetwas sagte.
    Linda sah, dass ich die Augen geöffnet hatte, und beugte sich herunter. »Oh, Izzy, Izzy, Izzy!«, sagte sie und legte ihre Hand auf meine Stirn. »Du liebe Güte, was ist denn passiert?«
    Warum flüsterte sie? Dann bemerkte ich den Polizisten, der zwei Meter neben Emily und Trevor auf einem Stuhl saß.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich, nahm ihre Hand, versuchte, mich aufzurichten, und sank auf die Trage zurück. Ich erzählte ihr, dass Marcus nicht nach Hause gekommen, dass ich ins Büro gegangen war und was sich dort zugetragen hatte. Die Ereignisse vom letzten Abend und von heute Morgen zogen in lebhaften Bildern an mir vorüber; die Worte sprudelten wirr aus mir heraus, während ich einzelne Erinnerungen schilderte. Meine Schwester sah mich konzentriert an, und ich fragte mich, wie viel sie verstand. Immer schon hatte sie mich so angesehen, selbst als wir noch klein waren, selbst wenn ich die banalsten Sachen erzählte. Sie hörte zu. In mir braute sich ein explosives Gemisch aus Wut, Angst und Verzweiflung zusammen, das mir die Röte ins Gesicht trieb.
    Ich entdeckte die gleichen Gefühle in Lindas Gesicht. »O Gott, Izzy! Warum hast du mich nicht angerufen?«
    »Linda, wo steckt er?«, schluchzte ich, und heiße Tränen liefen mir übers Gesicht. »Was geht hier vor?«
    Kopfschüttelnd griff sie nach meiner Hand. Sie war ebenso hilflos wie ich. »Wir kriegen es raus«, sagte sie trotzig, »alles wird gut.«
    Sie war die Optimistischere von uns beiden. Immer schon. Meiner Ansicht nach konnte es nur schlimmer werden, was ich ihr aber nicht sagte.
    »Darf ich mal Ihre Pistole anfassen?« Trevor hatte sich an den Polizisten herangepirscht. Trevor war zehn Jahre alt, so strohblond wie Linda und unglaublich süß.
    »Trevor, sei nicht blöd«, sagte Emily und verdrehte die Augen wie eine Erwachsene. Sie war dreizehn und ihr Haar so rabenschwarz wie meines. Im Gegensatz zu mir hatte sie keine Locken, dafür aber den gleichen Dickkopf.
    »Emily«, mahnte Linda. »Sei nett zu deinem Bruder. Und Trevor, lass den Mann in Ruhe.«
    Ihre Stimme klang ungewöhnlich streng und schneidend, so dass sich beide Kinder zu uns umdrehten. Sie waren ziemlich verzogen, wurden zu Hause und in der Schule mit Samthandschuhen angefasst

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