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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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dass ich mich nach dem Aussteigen an einem fremden Ort wiederfand, den ich nicht benennen konnte, der mir aber irgendwie bekannt vorkam.
    In meiner Tasche vibrierte das Handy. Ich klappte es auf und las die Nachricht, die mir den Boden unter den Füßen wegzog. Ich versuchte, ein gleichgültiges Gesicht zu machen, aber die Hitze stieg mir in die Wangen.
    »Wieder Ihre Schwester?«, fragte Crowe. Nur war nicht klar, ob er misstrauisch klang. Ich nickte, ohne einen Ton herauszubekommen, steckte das Handy wieder ein und ging ans Fenster.
    »Mrs. Raine«, sagte Detective Breslow, »ich rate Ihnen dringend, Ihre Bankkonten zu überprüfen.« Ihr Tonfall verriet, dass sie längst wusste, was ich entdecken würde.
     
    Sie ließ sich von ihm auf dem harten Porzellanwaschbecken der Unisex-Toilette nehmen. Sie krallte sich an seinem breiten Rücken fest, weil sie wusste, dass er das für leidenschaftlich hielt. In Wahrheit hatte sie nur Angst, ihr Gewicht könne das Waschbecken, das ihr mit jedem seiner harten Stöße schmerzhaft an den Hintern stieß, von der Wand reißen. Sie spürte sein Verlangen, seine Verzweiflung. Und selbst wenn sie diese Gefühle nicht teilte, war es schön, so sehr begehrt zu werden. Von einem Mann, der nicht bei der Entbindung dabei gewesen war, der sich nicht rasierte, während sie auf der Toilette saß, der sie noch nie mit der Grippe im Bett hatte liegen sehen. In seiner Gegenwart war sie die Geliebte, immer noch mysteriös, und sie gehörte ihm nicht.
    »Ich liebe dich«, flüsterte er mit geschlossenen Augen und vor Lust verzerrter Stimme. »Tut mir leid, ich liebe dich.«
    Sie hatte ihn gebeten, das nicht zu sagen. Sie fühlte sich nicht verpflichtet zu antworten. Unwillkürlich betrachtete sie sein Gesicht und dachte: Nein, ich liebe dich nicht. Und während sie sich dem Höhepunkt hingab, vergrub sie ihr Gesicht an seiner Schulter, um nicht zu schreien: »Ich liebe dich nicht! Ich liebe meinen Mann!« Seltsam, so etwas zu denken, während man vor Verzückung stöhnt und zittert. »O, Gott.« Er ließ sich gegen sie sinken. Sie spürte, wie sein Brustkorb sich hob und senkte, und hielt ihn fest umklammert.
    Bei Ben war sie eine andere, keine Mutter, keine Ehefrau, keine Frau, die sich über ihr Verhältnis zu anderen definiert. Sie war eine Künstlerin, die unbeschwerte Heldin einer Geschichte, die sich nur in ihrem Kopf abspielte.
    »Alles okay?«, fragte er, zog sich die Hose hoch und warf einen Blick nach hinten zur Tür, die sie abgeschlossen hatten. Sie hasste diesen Moment, wenn der Spaß vorbei war und sie sich hastig anzogen. Das Herunterreißen der Kleider war viel aufregender. Danach war es irgendwie billig . Das verdreckte Fröhliche-Weihnachten -Poster an der Klotür machte es nur noch schlimmer.
    Sie wandte sich von ihm ab, zog ihren Slip hoch und den Rock herunter. Sie betrachtete ihr Spiegelbild. Eigentlich sah sie besser aus, oder? Vielleicht lag es am Licht.
    »Das geht nicht«, sagte sie müde, »du kannst nicht einfach vor meiner Tür stehen. Wir haben beide Familie.«
    »Ich weiß«, sagte er und sah beschämt und unglücklich aus. »Ich weiß.«
    Noch verspürte sie keine Schuldgefühle. Das würde später kommen, wenn er weg war und die Kinder zurückkehrten oder wenn sie und ihr Mann zusammen lachten. Im Moment fühlte sie sich zufrieden, oder vielmehr so, als wäre ein permanenter Schmerz vorübergehend gelindert.
    »Ich muss los«, sagte sie und lehnte sich an ihn.
    »Was ist mit dir?« Sanft legte er ihr eine Hand an den Arm und sah sie besorgt an. »Du hast von einem Notfall geschrieben?«
    Sie hasste es, wenn er so war, wenn er vorgab, ihre Affäre habe etwas mit dem richtigen Leben zu tun und sei etwas anderes als ein idiotischer Fehler. Ständig wollte er mit ihr plaudern und kuscheln und über seine Gefühle reden wie ein verliebter Teenager. Begriff er es nicht? Sie wollte nichts weiter, als fünf Minuten lang vergessen. Als sie angefangen hatten, sich heimlich zu treffen, bestand das größte Vergnügen für sie darin, dass ihre Sorgen sich in Bezug auf die Kinder, das Geld und ihre Karriere während der kleinen Auszeit in Nichts auflösten. Falls es so weiterging, würde sie irgendwann all ihre Sorgen in die Affäre hinübertragen. Dann gäbe es keine Euphorie, keine willkommene, wenn auch kurzzeitige Flucht aus dem Alltag mehr. Sie hätte nur einen weiteren Grund, sich Sorgen zu machen - und das wollte sie nicht.
    Sie berichtete kurz, was Marcus und ihrer

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