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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Sie kein Opfer, sondern eine Komplizin sind, die sich in aller Öffentlichkeit versteckt und uns die betrogene Ehefrau vorspielt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »In meinen Augen sind Sie nicht der Typ Frau für so etwas. Die Frauen, die man in den Talkshows sieht, weil der Mann eine Zweitfamilie hat oder der Verehrer mit sämtlichen Ersparnissen abgehauen ist - das sind nicht Sie. Sie sind intelligent, oder? Sie haben Ihr Leben im Griff.«
    »Vielleicht nicht intelligent genug, um jeden Betrug zu durchschauen, aber definitiv zu intelligent, um bei so etwas mitzuspielen. Leute, die ich persönlich kannte, sind ums Leben gekommen, mein Stiefvater wurde beinahe getötet, mein Geld ist weg, und das meiner Schwester ebenfalls … Nein. Auf keinen Fall.« Die Aufzählung weckte erneut meine Wut und Angst. Mir fiel auf, dass ich die Hände zu Fäusten geballt hatte und meine Fingernägel sich in die Handflächen gruben. Mühsam versuchte ich, die Hände zu öffnen.
    »Dann sagen Sie mir endlich, was Sie verschweigen.«
    »Nichts«, entgegnete ich und versuchte, so ehrlich wie möglich auszusehen. »Ich schwöre es.«
    Lügen sind ein ansteckendes Virus, das sich selbstständig verbreitet. Marcs Betrug hatte mich infiziert. Er hatte mich krank gemacht, ich war dem fiebrigen Wahn erlegen, herausfinden zu müssen, wie und warum er mich belogen hatte, und nun log ich selbst. Der Detective hatte recht. Ich verschwieg ihm etwas. Die SMS von Marcus, der Name, den Ivan, sein vermeintlicher Bruder, mir verraten hatte - diese Informationen gehörten mir allein. Ich hatte das Gefühl, nichts anderes mehr zu besitzen. Hätte ich dem Detective davon erzählt, wären mir auch sie genommen.
    »Ich glaube Ihnen nicht«, sagte er unumwunden.
    »Ich will einen Anwalt.«
    Er hob die Hand und sah mich warnend an. »Falls Sie sich für diesen Weg entscheiden, sind wir Gegner.«
    Ach nein, wirklich? Hatte er tatsächlich gedacht, mich einschüchtern und mir meine Rechte ausreden zu können?
    »Dieses Gespräch ist seit dreißig Sekunden beendet«, sagte ich.
    Der Detective kniff seinen Mund zu einem schmalen Strich zusammen, und ich sah seine Nasenflügel beben. Würde die Wut ihn erröten oder erbleichen lassen? Plötzlich färbten seine Wangen sich rot, hübsche, rosige Flecken hoben sich von seiner blassen Haut ab. Wenn Marcus sich geärgert hatte, war sein Gesicht ganz grau geworden. Es war mir ungesund erschienen. Rot ist die Farbe der ausgelebten Emotionen, eine hell aufflackernde Flamme, die heiß brennt und wieder erlischt. Grau ist die Farbe des Grolls, der einen innerlich auffrisst und als leere Hülle zurücklässt.
    Detective Crowe öffnete den Mund und klappte ihn wieder zu. Wir lieferten uns ein kurzes Duell im Anstarren, das ich gewann. Er senkte den Blick, drehte sich um und verließ das Wartezimmer, immer noch voll von den Dingen, die er mir hatte sagen wollen. Ich war mir sicher, dass er am liebsten mit der Tür geknallt hätte, aber die Schließhydraulik erlaubte nur ein unbefriedigendes Ploppen.
    Er war noch nicht lange weg, als Linda und Erik hereingestürzt kamen. Ich hatte Linda reflexartig angerufen, als wir im Krankenhaus angekommen waren. Ich konnte mich kaum an unser Gespräch erinnern. Als ich sie sah, fühlte ich eine seltsame Mischung aus Erleichterung und neuer Angst. Trevor und Emily folgten ihnen Hand in Hand. Ihr Anblick machte mich traurig. Sie hatten Angst, und es war allein meine Schuld. Ich hatte Marcus in unsere Familie gelassen, ich hatte ihm erlaubt, uns allen Schaden zuzufügen.
    »Hast du Fred schon gesehen? Was ist passiert?«, fragte Linda und packte mich mit beiden Händen an der Schulter. »Warum bist du einfach weggelaufen? Und nicht ans Telefon gegangen? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!«
    Ich ließ mich in ihre Umarmung sinken, schmiegte mich an ihren weichen Kaschmirmantel und machte mir nicht die Mühe zu antworten. Über ihre Schulter warf ich Erik einen Blick zu, der traurig nickte. Plötzlich wurde ich mir der unterschwelligen Spannung zwischen den beiden bewusst und begriff, dass er Linda alles gebeichtet hatte.
    »Fred geht es gut«, sagte ich in ihre Schulter, »er wird es schaffen.«
    Ich erzählte, was in Riverdale geschehen war, wobei ich alles verschwieg, was ich schon Crowe gegenüber ausgelassen hatte. Ich wollte ihnen keine Informationen geben, die sie später womöglich belasten würden.
    »Du brauchst einen Anwalt«, sagte Erik und zog sein Handy aus der

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