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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Tasche.
    »Ruf den von Fred und Margie an«, sagte Linda höflich, aber knapp. »Ich habe Mom Nachrichten hinterlassen - auf ihrem Handy und an der Rezeption. Man versprach mir, sie zu suchen und über den Notfall zu unterrichten. Ich bin mir sicher, dass sie sofort losgefahren ist.« Sie warf mir einen entschuldigenden Blick zu. »Ich musste sie anrufen, immerhin wurde Fred verletzt.«
    Ich nickte zustimmend. »Ich habe sie auch schon angerufen.«
    Emily und Trevor hatten kein Wort gesprochen. Ich kniete nieder und öffnete die Arme, und die Kinder rannten auf mich zu. Ich drückte sie fest, fühlte ihre dünnen Arme auf meinem Rücken.
    »Alles wird gut«, flüsterte ich. Eine weitere Lüge; die Krankheit hatte mich fest im Griff.
    »Mom ist richtig sauer auf Daddy«, flüsterte Emily. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Lindas gesenkten Kopf. Erik hatte sich zum Fenster gedreht, das auf den Parkplatz hinausging. Anscheinend spielte er an seinem Handy herum; ich hörte die leisen Tastentöne, während er sein Telefonbuch durchscrollte.
    »Ist schon gut«, tröstete ich sie, »alles wird wieder gut.«
    Ich schaute in ihre kleinen, ernsten Gesichter, gab jedem einen Kuss und machte mich zögerlich los.
    »Ich werde nach Fred sehen«, sagte ich zu Linda.
    »Ich komme mit.« Ich war dagegen, konnte es ihr aber nicht verbieten. Ich nahm meine Handtasche vom Stuhl. Eriks Stimme folgte uns nach draußen: »Hier ist Erik Book, der Schwiegersohn von Fred und Margie Thompson. Ist John Brace zu sprechen?«
    Als wir den Flur durchquerten, nahm Linda meine Hand.
    »Du weißt es längst«, sagte sie. Es war keine Frage.
    »Ja«, sagte ich und drückte ihre Hand. »Das bringen wir wieder in Ordnung.« Anscheinend meine neue Standardantwort auf alles, während unsere Welt zerbrach. Ich konnte Linda nicht lange ansehen, ihr keine tröstlichen Blicke zuwerfen. Ihr Gesicht war blass. Sie hatte dunkle Schatten unter ihren dunkelblauen, leuchtenden Augen. Sie brauchte nichts mehr zu sagen; ich wusste, was sie gerade durchmachte. Und sie wusste, dass sie nichts erklären musste. Später hätten wir genug Zeit zu reden, zu analysieren und zu bewerten.
    In diesem Moment waren wir einfach nur auf dem Weg zu Freds Zimmer. Wir schwiegen. Als wir seine Tür erreicht hatten, blieb ich stehen und nahm Lindas Hände.
    »Verzeih ihm, Linda. So schlimm es auch ist, er hat es für dich getan.«
    »Ich verzeihe ihm«, sagte sie, ohne mich anzuschauen. »Ich weiß bloß nicht, ob ich damit leben kann. Ich fühle mich wie Mom. Er hat unsere ganze Zukunft aufs Spiel gesetzt, ohne mir etwas davon zu sagen. Und da ist noch etwas. Auch ich habe Fehler gemacht. Ich weiß nicht, ob wir die Kraft haben, das gemeinsam durchzustehen.«
    »Sag so etwas nicht.« Der Gedanke, Lindas Ehe könnte scheitern, weil ich einen Fehler begangen hatte, erfüllte mich mit Angst. »Bitte erlaub mir, alles in Ordnung zu bringen!«
    »Das liegt nicht in deiner Hand, Izzy«, sagte sie und streichelte meine Wange. »Verstehst du denn nicht? Du hast nichts falsch gemacht. Du hast ihn geliebt.«
    »Du hast mich gewarnt. Es ist alles meine Schuld.«
    »Aber Schätzchen, an so etwas hatte ich doch gar nicht gedacht! Ich fand bloß, dass er ein Blödmann war, der dich nicht so liebt, wie du es verdient hast.«
    »Du hattest recht«, entgegnete ich. Ich ließ mich umarmen, legte meinen Kopf an ihre Schulter. »Bleib bei ihm, Linda. Deine Ehe, deine Familie sind grundsolide. Ihr schafft das schon. Es ist doch bloß Geld.«
    Sie drückte mich, ohne darauf einzugehen. »Komm, wir schauen nach Fred«, sagte sie nach einer Weile, machte sich von mir los und nahm meine Hand. Sie wollte nicht mehr reden. Ich hakte nicht weiter nach und folgte ihr.
    Wir blieben auf der Schwelle zu dem dämmrigen Zimmer stehen, betrachteten Freds reglose Gestalt und lauschten dem beruhigenden Piepsen des Herzmonitors. Ich wurde zwischen Wut und Reue hin- und hergerissen. Als er uns in der Tür entdeckte, fing er zu lächeln an. So war Fred. Ein Lächeln gelang ihm immer. Vielleicht lag es aber auch nur an den Medikamenten.
    »Ihr seht aus wie Kinder«, sagte er mit undeutlicher Stimme. Ich hätte auch gern ein paar von den Pillen geschluckt, die man ihm gegeben hatte. Linda ging ans Bett und nahm Freds Hand. Seit Emily und Trevor auf der Welt waren, standen die zwei sich nahe. Fred war ein wundervoller Großvater, und für ihre Kinder der einzige. Er überschüttete sie mit Liebe. Ich glaube, in den letzten

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