Hüte dich vor Dracula
das Übergewicht bekam und zu Boden fiel. Das polternde Geräusch schluckte der Teppichboden.
Mareks Blick fiel in den offenen Sarg. Zufällig hatte er sich genau das richtige Ende ausgesucht.
Von oben herab starrte er in ein bleiches Vampirgesicht mit eingefallenen Wangen. Es gehörte Will Mallmann!
***
Plötzlich fing sein Herz an zu rasen. Die Schläge hämmerten derart laut, daß sie Echos in seinem Kopf erzeugten. Marek mußte einige Male schlucken, um sich überhaupt beruhigen zu können. Er spürte auch die Feuchtigkeit in seinen Augen.
Er hatte den Kommissar nicht gut gekannt, aber gut genug, um ihn als einen Freund anzusehen. Sie hatten die gleichen Interessen verfolgt, gefährliche Schwarzblütler gejagt, und nun gehörte der Kommissar selbst zu ihnen.
Marek dachte in diesen Augenblicken auch an seine Frau, die ebenfalls ein Opfer der Blutsauger geworden war. Wenn sie wollten, bekamen sie jeden; es gab kein Entrinnen! Bestimmt würde auch er irgendwann einmal an der Reihe sein. Ein derartiges Ende und ein gleichzeitiger neuer Beginn als Schwarzblütler wünschte er sich nicht. Wenn er starb, dann eines normalen Todes und ohne lange leiden zu müssen.
Der Pfähler wischte über seine Augen. Noch immer saß die Kehle zu. Er rülpste. Das dabei entstehende Geräusch erschreckte ihn. »Will«, sagte er leiser und in seiner Muttersprache. »Es tut mir leid, aber ich kann nicht anders.«
Frantisek Marek setzte sich in Bewegung. An der rechten oberen Kante schritt er um den Sarg herum und blieb ungefähr dort stehen, wo der Hals auslief und die Brust begann.
Genau dort befand sich auch das Herz!
Das graue, von oben her fließende Licht machte dem Vampir nichts aus. Vielleicht besaß es eine ähnliche Kraft wie das des Mondes, in dem die Blutsauger sich so wohl fühlten.
Marek schaute sich die Kleidung des Schwarzblütlers an. Schwarz wie die Nacht war sie und sah noch dunkler aus, weil sich in dem Sarg die gepolsterte Unterlage aus weißem Stoff befand, der ein wenig schillerte.
»Und es wird mir nicht einmal leid tun«, sagte der alte Frantisek Marek mit schluchzender Stimme, als er mit der rechten Hand den Pfahl aus dem Gürtel hervorzog.
Er wußte, daß er sich mit den letzten Worten selbst belogen hatte, aber was sollte er tun?
Zwischen dem Holz des Eichenpfahls und seiner Haut lag ein dünner Film aus Schweiß. Marek zwinkerte mit den Augen, denn auch die Schweißtropfen rannen bereits durch die Brauen in Richtung Wangen. Durch die Nase holte er Luft.
Bewegungslos lag der Vampir vor ihm. Die Arme zwischen seinem Körper und den Innenwänden der Totenkiste eingepreßt. Er atmete nicht, er bewegte sich nicht. Glatt wie eine Statue lag er da und wartete auf sein Ende.
Marek hob den rechten Arm an. Hart umklammerten seine Finger den Pfahl. Die Knöchel schauten so scharf hervor, als wollten sie im nächsten Augenblick die Haut zerreißen.
So ähnlich wie ihm mußte es auch John Sinclair ergangen sein, als er Mareks Frau hatte erlösen müssen.
Noch zögerte der Rumäne. Er brachte es nicht fertig, den angespitzten Pfahl mit voller Wucht nach unten zu stoßen und ihn dem Vampir in die Brust zu rammen.
Nein, das konnte er einfach nicht.
So senkte er seinen rechten Arm langsam dem Blutsauger entgegen, und der Pflock machte den Weg mit.
An der linken Brustseite, genau dort, wo bei einem Menschen das Herz schlägt, setzte Marek die Spitze an. Am liebsten hätte er einen Hammer genommen und auf den Pfahl geschlagen; er fürchtete sich beinahe davor, reine Körperkraft anzuwenden.
Die Spitze berührte den schwarzen Stoff der Weste. Sie drückte ihn so tief ein, daß eine kleine Mulde entstand.
In diesem Augenblick öffnete der Vampir die Augen!
***
Marek erschrak so sehr, daß er den rechten Arm wieder zurücknahm und nicht zustieß.
Will Mallmann starrte ihn an.
Aber wie!
Seine Augen hatten nichts Menschliches mehr an sich. Sie waren zu blutigen Rädern geworden, die still und starr in den Höhlen lagen, und sie sahen so aus, wie Marek sie auch auf dem Bild erlebt hatte. Mallmann tat nichts. Unbeweglich blieb er liegen, hielt nur die Blutaugen offen und starrte den schräg über ihn gebeugten Marek mit seinem grausamen Blick an.
Er mußte auch den Pflock sehen und die Spitze erkennen, die noch immer über ihm wie eine furchtbare Drohung stand.
Auch dann bewegte er sich nicht. Aber aus seinem halb geöffneten Mund drang ein leises Fauchen, vergleichbar mit der Warnung einer Katze, die damit
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