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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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anderen zu helfen, gab es keine.
    Und doch war sie keine Duckmäuserin – das Mädchen besaß eine eiserne Kraft, die sie, da war Raziel sich sicher, von ihm geerbt hatte. Miranda war zwar schön, ansonsten aber eher schwach und ängstlich gewesen. Kurzum, Willow war eine würdige Gegnerin, was ihn aus unerfindlichen Gründen freute. Wenn er schon etwas so Gewöhnliches wie eine Tochter haben musste, dann wollte er wenigstens, dass sie ihre fünf Sinne beieinander hatte, bevor er sie vom Leben zum Tode beförderte.
    Nichtsdestotrotz war Raziel zutiefst dankbar dafür, dass niemand ahnte, dass er ihr Vater war. Seine Gedanken schweiften zurück zu dem Tag, an dem er aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war, und zu seiner Begegnung mit dem Konzil im Konferenzzimmer der Kathedrale: ihre ausdruckslosen Gesichter, die nie zu lächeln oder die Stirn zu runzeln schienen. Sie hatten den Halbengel erwähnt, natürlich. Es war fast das Erste gewesen, was sie aufs Tapet gebracht hatten.
    »Wir Zwölf haben versucht, sie über unsere mentalen Kanäle aufzuspüren, aber es ist uns nicht gelungen. Ihre Energie ist der unseren zu fremd.« Isdas graue Augen waren so teilnahmslos gewesen wie damals, als sie den Befehl erteilt hatte, die Verräter herauszuführen. »Wie hat sie es geschafft, in die Kathedrale zu gelangen und danach zu flüchten, Raziel? Was für ein Sicherheitssystem hast du hier eigentlich?«
    Raziel hatte die Zähne zusammengebissen, seinen Tonfall aber dennoch gemäßigt, als er von seinem verräterischen menschlichen Assistenten berichtete. Er konnte fühlen, wie die Zwölf mental den Kontakt zueinander suchten. Gedankliche Unterströme, die er nicht erfassen konnte, waberten durch den Raum.
    Das reicht nicht, sagte jemand. Die Worte wurden nicht laut ausgesprochen. Die Besprechung hatte sich allem Anschein nach auf die geistige Ebene verlagert, was immer ein schlechtes Zeichen war. Falls Raziels innere Abwehrmechanismen nicht bereits aktiv gewesen wären, dann hätte er sie spätestens jetzt herunterrasseln lassen, wie das Fallgitter am Eingang zu einer Burg.
    Aus der einen Stimme wurden mehrere Stimmen, die alle auf einmal mit ihm kommunizierten. Eine derartige Schlamperei ist nicht hinnehmbar, Raziel. Das Mädchen hätte schon vor Wochen beseitigt werden müssen. Wer ist der Vater? Wie konnte das überhaupt passieren?
    Raziel war es gelungen, seine Gedanken nach außen hin besorgt wirken zu lassen, hilfsbereit. Doch tief drinnen arbeitete es in ihm. Ich habe keine Ahnung, antwortete er. Das Mädchen verdankt seine Existenz offenbar einem Zufall – glauben Sie mir, ich bin ebenso beunruhigt wie Sie.
    Wir sind erleichtert zu hören, dass du unsere Befürchtungen teilst, sagte Isdas Stimme. Isda selbst lehnte sich schweigend auf ihrem Platz zurück, ohne etwas preiszugeben. Andere mentale Stimmen fielen ein, als sie weitersprach: Denn, wie du weißt, haben wir Beziehungen zwischen Engeln und Menschen nie gutgeheißen. Es ist für Engel inakzeptabel, sich derart zu erniedrigen.
    Ja, mir ist bewusst, dass Sie das glauben, entgegnete Raziel glatt Aber als Neuankömmlinge in dieser Welt müssen Sie verstehen, dass es hier mittlerweile so üblich ist – eine Tradition, wenn man so will.
    Die Atmosphäre im Raum wurde noch frostiger. Du hast schon viel zu viel Zeit hier verbracht, wenn du glaubst, dass die Sache dadurch auf irgendeine Art und Weise akzeptabel wird, tadelten die vielen Stimmen in seinem Kopf. Wir sind Engel. Wir wälzen uns nicht mit den Schweinen im Dreck. Er konnte spüren, wie einige von ihnen begannen, tastend ihre Fühler auszustrecken, auf der Suche nach etwas Interessantem. Er verstärkte seine Schutzwälle und zog sich in die tiefsten Tiefen seines Geistes zurück.
    Mäßigung ist der Schlüssel zu allem, Raziel, fuhr der Chor in seinem Kopf fort. Sämtliche Mienen im Raum waren versteinert. Unbehaglich fühlte er sich an die mehrere Dutzend Engel erinnert, die in der Luft explodiert waren. Daran solltest du lieber denken, wenn du dein Amt hier behalten willst.
    Erneut wallte der Zorn in ihm auf, als er jetzt auf den Parkplatz der Kathedrale fuhr. Wie hatten sie es wagen können, dazusitzen und ihm in seiner eigenen Kathedrale zu drohen? Mit großen Schritten ging Raziel in sein Büro. Der Anblick von Jenny erfüllte ihn mit selbstgefälliger Genugtuung. Er dachte daran, dass ihre Affäre noch am selben Abend, als das Konzil wieder abgereist war, ihren Anfang genommen hatte. Auch nach mehreren

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