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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ließ seine Blicke über die gefrorenen Felder schweifen, die im Licht der späten Nachmittagssonne glitzerten. Am Horizont erhob sich die dunkelviolette Silhouette der umliegenden Berge. Raziel zwang sich dazu, sich zu konzentrieren und erkannte, dass Jenny recht hatte. Die Idee war gar nicht übel. Camp Angel: Eine Siedlung zu Ehren der Engel, in der ganze Familien leben konnten, mit Schulen, einer Kirche, einer Bücherei, die sich den Werken der Engel widmete – alles inklusive.
    »Wir könnten landesweit Gemeinden gründen«, dachte er laut.
    Freds Miene leuchtete auf. »Wirklich? So gut gefällt Ihnen meine Idee, Sir?«
    »Sie hat auf jeden Fall Potenzial«, räumte Raziel ein. Seit den dramatischen Fernsehbildern vom Eintreffen der Zweiten Welle explodierte die Nachfrage nach allem, was mit den Engeln zu tun hatte. Geschlossene Wohnanlagen, in denen Familien Häuser erwerben und ihre Kinder auf Schulen schicken könnten, die sich der Sache der Engel verschrieben hatten, würden einschlagen wie eine Bombe.
    Außerdem böte das Projekt Raum für die Umsetzung einer Idee, die ihm schon länger durch den Kopf schwirrte – und die, wenn sie dem Konzil zu Ohren käme, sein Schicksal sicherlich endgültig besiegeln würde. Denn sie passte nicht zu ihrer Vision von Engeln, die ihren niederen Trieben widerstanden.
    »Ja, ich bin dabei«, entschied er. »Ich werde mich bald mit Ihnen in Verbindung setzen, um die Baumaßnahmen zu besprechen.« Obwohl jetzt alles unsicher geworden war, hegte Raziel weiterhin die Hoffnung, dass es schon bald kein Konzil mehr geben würde, um das man sich sorgen musste. Unterdessen weigerte er sich, aus derselben tollkühnen Trotzhaltung heraus, deretwegen er schon im Fernsehen den Mund nicht hatte halten können, seine zahlreichen Pläne auf Eis zu legen.
    Fred schien vor lauter Dankbarkeit und Aufregung vollkommen außer sich zu sein. Ohne Unterlass stammelte er seine Dankesbezeugungen, während sie über die Felder zurückgingen. »Keine Ursache«, sagte Raziel und schüttelte ihm die Hand, nachdem sie bei seinem schwarzen BMW angelangt waren. »Die Dankbarkeit der Engel ist Ihnen gewiss.«
    Nun ja, die Dankbarkeit eines Engels zumindest. Finster überprüfte Raziel erneut sein Telefon, als er ins Auto stieg.
    Auf der Rückfahrt nach Denver merkte Raziel, dass er, um sich abzulenken, wieder einmal seine gedankliche Verbindung zu Willow erkundete. Als sie und Seb, der Halbengel-Junge, gemeinsam nach Raziels Energiefünkchen gesucht hatten (auch wenn sie nicht gewusst hatten, dass es das war, wonach sie suchten), hatte er es noch stärker verhüllt und so viele Schutzschilde installiert und falsche Fährten gelegt, dass sogar ein reinblütiger Engel sich schwergetan hätte, es aufzustöbern. Jetzt schien Willows Engel sich über ihre früheren Ängste zu wundern und Raziel konnte unbehelligt durch den Geist des Mädchens streifen, ohne Verdacht zu erregen. Von ihrem eigenen Energiefunken in seinem Inneren hatte sie nach wie vor keine Ahnung - glücklicherweise. Denn wenn sie jemals darauf stoßen sollte, dass eine Auslöschung des Konzils mittlerweile sogar die gesamte Menschheit in Gefahr brachte, würden die Engeljäger ihren Plan nie im Leben in die Tat umsetzen.
    Momentan sprach Willow gerade mit Seb und versuchte zu lernen, wie sie die Farben ihrer Aura tarnen konnte. Es war Raziel neu gewesen, dass dies überhaupt möglich war. Der Junge schien in Bezug auf Auren ungewöhnlich begabt zu sein. Obwohl, wer wusste schon, was bei Halbengeln gewöhnlich oder ungewöhnlich war.
    Als Raziel auf seiner Fahrt über die Bergstraßen Willows Gedanken und Gefühlen lauschte, musste er beinahe lächeln. Anfangs hatte er sich eingeredet, er würde nur in ihrem Geist herumspazieren, um herauszufinden, was sich bei den Engelkillern tat. Aber mittlerweile musste er sich eingestehen, dass die mentalen Prozesse seiner Tochter ihn seltsamerweise in ihren Bann zogen – und dass er sie genauso gierig verfolgte, wie die Menschen ihre heiß geliebten Realityshows im Fernsehen. Er hätte nie gedacht, dass ein Abkömmling von ihm so nett sein könnte. Die Vorstellung war genauso absonderlich, wie das Gefühl, überhaupt eine Tochter zu haben. Raziel hatte Tage damit zugebracht, nach einem Haken in Willows Charakter zu suchen. Er wollte herausbekommen, welche Motive hinter ihren Handlungen steckten. Doch abgesehen von ihrer Liebe zu Kylar oder dem Wunsch,

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