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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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Welt, die mich kennt.«
    Dort, wo sein Fuß neben mir auf dem Sofa lag, vermischten sich unsere Auren. Ich konnte kaum fühlen, wo meine aufhörte und seine anfing. Ich lächelte ebenfalls. »Was vielleicht daran liegt, dass du noch nie im Leben irgendwem die Wahrheit gesagt hast. Ein Gondoliere? Also ehrlich. Und du hast ihm die Zigaretten geklaut.«
    Seb sah aufrichtig überrascht aus. »Aber das, was ich ihm erzählt habe, stimmt. Meine Familie stammte aus Italien. Und achtzehnhundertvierzig gab es einen Gondoliere-Streik in Venedig – sie sind zu Tausenden hierher ausgewandert.«
    Meine Augen wurden groß. Beinahe hätte ich gesagt: Echt? Ein Gondoliere-Streik? Doch dann bemerkte ich, wie frotzelnd sich seine Aura anfühlte und ich brach in Gelächter aus. »Oh Mann, bist du gut«, sagte ich. »Wahnsinn.«
    »Du auch«, sagte Seb beiläufig. »Guck dir mal deine Aura an.«
    Verdutzt ließ ich sie sichtbar werden. Ihre lavendelfarbenen Lichter hatten sich waldgrün verfärbt und sich kameradschaftlich an Sebs Aura angepasst. »Oh!«, japste ich und setzte mich bolzengerade auf. Im selben Moment wurde sie wieder lavendelblau. Ich starrte Seb an. »Wie lange war sie so?«
    »Ein paar Minuten vielleicht«, erwiderte er grinsend. »Siehst du, du kannst deine Aura verändern.«
    Halb lachte ich, halb stöhnte ich. »Ja, wenn ich nicht weiß, dass ich es tue – na super.«
    Aber der winzige Erfolg war hilfreich, und ich fing an, in jeder freien Minute mit Seb zu üben – manchmal sogar abends, wenn Alex und die anderen das Videomaterial sichteten, das Kara tagsüber hatte aufnehmen können, und versuchten, den Türcode zu knacken. Ich half ihnen, wann immer ich konnte. Aber ich hatte das furchtbare Gefühl, dass mir die Zeit davonlief. Ich musste es lernen. Nicht, dass die anderen sonderlich betrübt darüber zu sein schienen, dass ich anderweitig beschäftigt war. Ich versuchte, mich ihnen gegenüber so normal wie möglich zu benehmen, wusste aber, dass in ihren Augen nichts, was ich tat, jemals »normal« sein würde. Aber seit Seb da war, fühlte ich mich deswegen wenigstens nicht mehr so unwohl wie zuvor. Dieses kribblige Gefühl von Befangenheit war verschwunden, was mich ungeheuer erleichterte. Es war schrecklich gewesen, sich so verletzlich und überwacht vorzukommen.
    Seb sagte nie viel, wenn die anderen dabei waren. Und wenn, dann waren es immer freundliche, scheinbar harmlose Kommentare. Doch es dauerte nie lange, bis man sehen konnte, wie die Angesprochenen die Stirn in Falten legten, während es anfing, in ihnen zu arbeiten und sie dachten: Augenblick mal, was hat er damit eigentlich gemeint?
    Es brachte mich zum Lachen, trieb mich aber gleichzeitig schier zur Verzweiflung. Durch unseren Gedankenaustausch wusste ich, dass Seb normalerweise prima mit anderen Menschen zurechtkam. Es war einfach seine spitzbübische Art, die eine Situation wie diese unwiderstehlich fand – niemand traute ihm über den Weg, und das, obwohl er so unschuldig war wie ein neugeborenes Baby.
    »Weißt du, wenn du sie weiterhin so verunsicherst, kommst du nie auf einen grünen Zweig.« Wir waren draußen im Hinterhof, wo ein ramponierter Picknicktisch stand. Die Shadow war in der Nähe der Hintertür geparkt. An den Abenden, wenn der Rest des Teams zu Hause war, landeten wir meistens hier oder oben auf dem Balkon.
    »Ich kann nichts dafür«, sagte Seb ernsthaft. »Ich sage Sachen ohne nachzudenken, andauernd – die Worte rutschen mir einfach so heraus. Höchst unglückselig. Ich glaube, es muss eine medizinische Bezeichnung dafür geben.«
    »Ach ja? Vielleicht sollten wir dich zu Forschungszwecken der Wissenschaft spenden.«
    Sebs Mundwinkel zuckten. Er saß auf der Tischplatte. Über einem langärmeligen Baumwollshirt trug er sein T-Shirt mit dem Cinco de Moyo-Aufdruck. »Ja, vielleicht. Aber da ich der Lehrer bin, kannst du das nicht machen. Komm, querida, versucht noch mal.«
    Ich nickte, obwohl es ziemlich schwer wurde, sich nicht entmutigen zu lassen. Mittlerweile konnte ich für wenige Minuten am Stück die Farbe meiner Aura verändern, aber nur wenn Seb unmittelbar in meiner Nähe war. Jedes Mal, wenn ich es allein versuchte, verfiel sie sofort wieder in ihren ursprünglichen Zustand, ganz gleich, für wie entspannt ich mich hielt. Meine träumerischen Entspannungsübungen kamen mir mittlerweile wie ein fauler Trick vor, mit dem ich mich selbst zu übertölpeln versuchte – und meine Aura schien das zu wissen. Mit einem

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