Hueter der Daemmerung
Stirn. »Ihr gelingen immer wieder Aufnahmen, auf denen ein oder zwei Zahlen zu erkennen sind, aber nie die komplette Nummer. Wir wissen noch nicht mal, wie lang das Ding ist. Ständig kommen uns Finger und Hände in die Quere.«
Das wusste ich, denn ich hatte mir eine Menge von dem Videomaterial angesehen. »Bist du sicher, dass ich nicht helfen kann?«, fragte ich und berührte sein Bein. »Ich könnte es noch mal versuchen und die Filme ein zweites Mal durchschauen.«
»Vielleicht«, sagte Alex. Er wusste genauso gut wie ich, dass meine übersinnlichen Fähigkeiten bei Filmen versagten – sie fühlten sich für mich total kalt und flach an. Bei Seb war es ähnlich. Obgleich er Auren in Filmen erkennen konnte, spürte er darüber hinaus wenig. »Ich glaube, wir müssen einfach so weitermachen wie bisher und versuchen, sie Stück für Stück zusammenzusetzen«, fuhr Alex fort. »Brendan erstellt eine Tabelle, die uns weiterbringen könnte. Oh, und Kara sagt, dass die Skizze von der Kirche jetzt viel genauer ist«, fügte er an Seb gewandt hinzu. »Also, vielen Dank dafür.«
Seb nickte. »Gern geschehen.«
Schweigen machte sich breit. Ich überlegte krampfhaft, was ich noch sagen könnte, um das Gespräch wieder in Gang zu bringen, aber ich hatte das Gefühl, auf verlorenem Posten zu kämpfen. Wenn die beiden aufeinandertrafen, kam jede Unterhaltung ins Stocken. Schließlich stand Seb lässig auf. »Ich gehe rein und lese ein bisschen«, sagte er. Er warf mir einen Blick zu. »Und denk dran, Schluss für heute mit dem Üben, okay?«
Ich schnitt eine Grimasse, denn ich hatte vorgehabt, es noch einmal zu versuchen, nachts im Schlafraum, wenn alle anderen schliefen. »Seb, ich habe das Gefühl, dass es jetzt vielleicht klappen könnte …«
»Nein, entspann dich einfach«, unterbrach er mich bestimmt. »Morgen ist früh genug.«
Es war frustrierend, aber ich sah ein, dass er vermutlich recht hatte – ich musste es auskosten, zur Abwechslung einmal freundlich mit meiner Aura umzugehen, bevor ich mich wieder in die Arbeit stürzte. »Ja, gut«, erwiderte ich seufzend.
»Bis morgen«, sagte er mit liebevollem Blick. Ich spürte, dass er beinahe ein querida angehängt hätte und sich gerade noch rechtzeitig davon abhielt, fühlte, wie er sich darüber amüsierte. Fast hätte ich ebenfalls gelächelt. »Gute Nacht«, setzte er an Alex gewandt hinzu.
»Nacht«, entgegnete Alex.
Sobald Seb nach drinnen gegangen war, legte Alex den Arm um mich und küsste mich auf den Kopf. »Hey, du«, murmelte er in mein Haar. Ich merkte, dass er sich darüber freute, dass Seb weg war. Obwohl ich es auch schön fand, mit ihm allein zu sein, wollte ich sagen: Weißt du, ihr könntet echt gut miteinander auskommen, du und Seb, wenn ihr es nur versuchen würdet. Außer dass ich mir nicht wirklich sicher war, dass das stimmte. Sie waren beide starke Persönlichkeiten – Seb auf seine ruhige und Alex auf seine direkte Art – und keiner von ihnen ließ sich gerne herumschubsen.
Ich beherrschte mich. Ruhige Momente mit Alex waren zu rar, um sie mit Gedanken an Seb zu verschwenden. Ich schlang meine Arme um ihn, schob eine Hand unter sein T-Shirt und streichelte genüsslich seine warme glatte Haut. »Erinnerst du dich noch an die Blockhütte?«, fragte ich nach einer kleinen Weile. »An die Sonnenuntergänge?«
Ein paarmal waren wir in unserem Versteck in den Bergen die ganze Nacht lang wach geblieben und hatten geredet. Dann hatten wir uns mit den Schlafsäcken um die Schultern nach draußen gesetzt und zugesehen, wie die Sonne aufging. Rosa und goldene Strahlen waren an den Gipfeln emporgewandert, die von innen heraus zu glühen schienen. Die Erinnerung machte mich wehmütig. Ich war mir damals bewusst gewesen, was für ein Glück diese gemeinsame Zeit für uns bedeutete, aber ich hatte keine Ahnung gehabt, wie schnell es gehen würde, bis wir kaum mehr Gelegenheit zu einem Gespräch bekamen.
»Na klar erinnere ich mich daran.« Alex küsste meinen Hals. »Irgendwann gehen wir dorthin zurück, Willow. Im Ernst. Falls wir das Konzil besiegen …«
Er verstummte. Ich spürte, wie ihn die Sorge wieder übermannte, diese düstere Anspannung, die beständig im Hintergrund lauerte. Ich drückte ihn ganz fest und wünschte mir verzweifelt, ich könnte etwas sagen, das ihm helfen würde. Uns blieben nicht einmal mehr zwei Wochen – und unabhängig davon, ob es uns nun gelang, weitere Einzelheiten über die Sicherheitsvorkehrungen in
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