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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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hinbekomme.«
    Ich schloss die Augen und versank wieder im Glanz meiner Aura. Nichts erzwingen, ermahnte ich mich. Als ich meinte, so weit zu sein, streichelte ich im Geist ihre schimmernden Lichter und stellte mir vor, wie sie sich blau verfärbten.
    Ich hielt den Atem an, als meine Aura bebte und flackerte. Knapp daneben war auch vorbei. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Nein, nicht aufregen – ruhig bleiben. Das war allerdings leichter gesagt als getan. Als ich es noch einmal versuchte, entlockte ich meiner Aura nicht einmal ein müdes Zucken. Auch meine nächsten zwei Versuche schlugen fehl. Frustriert starrte ich auf das silbrige Leuchten vor meinem inneren Auge. Oh Gott, ich musste den Dreh unbedingt herausbekommen. Wie sollte ich sonst bei dem Angriff auf das Konzil dabei sein?
    Von Seb kam eine Gefühlsregung … und als ich meine Augen aufschlug, betrachtete er mich unverwandt und vollkommen ernst. Ein unterschwelliges Gefühl sagte mir (diese Art stummer Gedankenaustausch zwischen uns wurde zunehmend häufiger), dass er gehört hatte, was ich dachte – und die Vorstellung, dass ich an dem Angriff teilnahm, ebenso furchtbar fand wie Alex. Allein bei dem Gedanken, dass mir etwas passierte, wurde er wieder so wild wie damals mit dreizehn. Er würde vor nichts zurückschrecken, um mich zu beschützen.
    Wir wussten beide, was dem jeweils anderen durch den Kopf ging. Die Tiefe seiner Gefühle erschütterte mich ein wenig und ich wollte etwas sagen. Doch dann unterbrach ich mich. Es war sinnlos, darüber zu diskutieren. Ich würde rechtzeitig lernen, meine Aura zu verändern und ich würde dabei sein, wenn das Team sich den Zwölf stellte. Mehr gab es dazu nicht zu sagen.
    Ich merkte, dass Seb ungefähr verstanden hatte, worum es ging und es fürs Erste auf sich beruhen ließ – seine zusammengekniffenen Lippen verrieten mir allerdings, dass er darüber nicht glücklich war. »Willst du es noch mal probieren?«, fragte er.
    Und für den Moment verloren wir beide kein weiteres Wort über die Sache.

17
     
     
    Dass Seb bei uns wohnte, bedeutete für mich einen Unterschied wie Tag und Nacht.
    Obwohl Alex natürlich hundertprozentig auf meiner Seite war, war er oft zu beschäftigt, um alles mitzubekommen, was sich zwischen mir und den anderen abspielte: die kleinen Sticheleien, die verstohlenen Blicke. Es war alles so blöd, und doch ging es mir manchmal an die Nieren, was mich ärgerte. Ich machte Alex keinerlei Vorwurf, dass es ihm nicht immer auffiel – Gott, ich wollte ja nicht mal, dass er es bemerkte. Denn ehrlich gesagt hatte er momentan gerade ein oder zwei wichtigere Dinge im Kopf.
    Seb hingegen entging nichts. Plötzlich gab es jemanden, der meinen Blick auffing, wenn Trish sich verkrampfte, weil ich ihr zu nahe kam, oder wenn Brendan seinen Kaninchen-vor-der-Schlange-Ausdruck annahm. Dann stand ein Lächeln in Sebs Augen und seine Mundwinkel hoben sich beinahe unmerklich. Falls wir nicht allzu weit voneinander entfernt waren, konnte ich manchmal sogar aufschnappen, was er dachte, was immer so etwas war wie: Madre mia – und dabei siehst du so harmlos aus. Hast du eine Machete im Ärmel versteckt, oder was?
    Ein- oder zweimal ließ ich das Lachen heraus, das um meine Lippen zuckte – woraufhin die anderen mich erschrocken anstarrten, während Seb ruhig dastand und aussah wie ein Unschuldslamm. Was das für den Erhalt meiner geistigen Gesundheit bedeutete, war … na ja, nicht gerade wenig.
    Allein, dass ich mit Seb reden konnte, half mir schon. So viele Dinge in meinem Leben ergaben plötzlich einen Sinn: seltsame Gefühle, derentwegen ich mich immer von allen unterschieden hatte, die ich aber nie hinterfragt hatte, bis ich ihn traf. Wie zum Beispiel, dass ich immer so sensibel auf die Schwingungen bestimmter Orte reagierte, die andere Menschen kaum zu bemerken scheinen. Oder dieser Eindruck, zweigeteilt zu sein, der mich, wie mir jetzt bewusst wurde, ein Leben lang begleitet hatte – die Gewissheit, dass ich aus mehr als dem mir bekannten »mir« bestand, auch wenn ich mir nicht sicher gewesen war, woraus genau. Wie sich zeigte, gehörten dies und hundert andere Kleinigkeiten einfach dazu, wenn man ein Halbengel war – denn Seb hatte haargenau das Gleiche empfunden.
    »Hast du eigentlich deinen Vater gekannt?«, fragte ich.
    Wir saßen im Fernsehraum, ungefähr eine Woche nachdem er zu uns gestoßen war. Die anderen waren unterwegs und wie sonst auch, wenn sie auf der Jagd waren, war ich

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