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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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sah auf ihre kräftigen, wunderschönen Gesichtszüge und eine Sekunde lang konnte ich nur noch an Alex’ ersten Kuss denken. Kara war doch nicht wirklich das erste Mädchen, das er geküsste hatte – oder doch? Er hatte mir noch nicht einmal erzählt, dass er in sie verknallt gewesen war. Unterdessen konnte ich spüren, wie sich die Atmosphäre im Raum ganz leicht veränderte. Demnach war es Alex gelungen, die Situation ein wenig zu entschärfen. Es würde allerdings ewig dauern, bis irgendjemand unseren Streit tatsächlich vergaß.
    »Das war’s«, sagte Alex. »Schießtraining für alle, die es betrifft. Ansonsten nehmt euch den Rest des Tages frei und entspannt euch. Falls jemand weggehen möchte, tut euch keinen Zwang an. Geht aber immer zu zweit los und haltet die Augen offen.«
    Als alle anfingen, sich zu zerstreuen, ging ich um den Tisch herum auf ihn zu. Doch er schritt bereits durch die Schießanlage davon. »Alex!«, rief ich und legte einen Schritt zu, um ihn einzuholen. »Alex, warte mal.«
    Er blieb stehen und sah mich an. Ich berührte seinen Arm. »Hör zu, wir müssen dringend reden.«
    »Nicht jetzt«, sagte er.
    »Doch, gerade jetzt. Hör mal, können wir nicht in dein Zimmer gehen und das Ganze klären? Wir können doch nicht einfach –«
    »NICHT. JETZT«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und massierte sich mit geschlossenen Augen die Schläfen. Ich starrte ihn an, schockiert von der leisen Vehemenz in seiner Stimme. Er verließ den Übungsraum, ohne eine Antwort abzuwarten. Ich hörte, wie er nach oben ging.
    Nein. So nicht. Wir hatten fast vierundzwanzig Stunden lang nicht miteinander gesprochen. Ich würde mich nicht so einfach abschütteln lassen. Seb stand am Tisch und lud ein Magazin, als ich zu ihm hinüberschaute. Ich stellte fest, dass er Alex mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck hinterhersah. Dann schüttelte er kurz den Kopf, wie um seine Gedanken zu ordnen. Unsere Blicke trafen sich. Und obwohl ich wusste, dass seine widerstreitenden Gefühle ihn zerreißen mussten, bewegte er kaum merklich den Kopf: Geh ihm nach.
    Oben war es still und dunkel. Jeder war entweder unten oder unterwegs.
    Als ich auf dem oberen Treppenabsatz ankam, glaubte ich zunächst, dass Alex in den Lagerraum gegangen sein musste. Ich wollte gerade darauf zugehen, als mir ein eisiger Schauer den Nacken hinablief. Ich hörte ihn. Er war nicht im Vorratsraum, er war im Badezimmer.
    Er übergab sich.
    Ich stand vor der Badezimmertür, und mein Herz zog sich vor plötzlicher Sorge zusammen. Ich wollte gerade klopfen, stellte aber fest, dass ich stattdessen eine Hand an die alte Holztür legte und schwer schluckte.
    »Alex?«, rief ich.
    Keine Antwort. Die Geräusche hielten an, und ich musste mich zwingen, nicht hineinzugehen. Schließlich wurde es still. Die Toilettenspülung rauschte, Wasser plätscherte ins Waschbecken.
    Die Tür öffnete sich und Alex erschien. Im Kontrast zu der unnatürlichen Blässe seiner Haut wirkten seine Haare schwarz. Sein Gesicht war feucht, als hätte er es mit Wasser bespritzt. »Was willst du?«, fragte er und massierte seinen Kopf.
    »Du hast schon wieder Migräne«, sagte ich leise. Er hatte mir erzählt, dass er sich deshalb hin und wieder übergeben musste, wenn der Schmerz ihn so unerwartet packte. Ich konnte spüren, dass er ihm in den Kopf fuhr, wie ein Dolch. »Bist du okay?«
    Er schnaubte, als er die Hand sinken ließ. »Ja, Willow, ich bin so was von okay. Im Ernst, was willst du?«
    Brauchte ich jetzt tatsächlich einen Grund, wenn ich mit ihm reden wollte? Ich zögerte. »Du, äh … hast meine SMS nicht beantwortet.«
    Hohles Schweigen erfüllte das Haus. »Ich wusste nicht, was ich sagen sollte«, erwiderte er.
    Wie wär’s mit: Ich liebe dich und es tut mir auch leid? Ich brachte die Worte nicht über die Lippen. »Hör mal, können wir nicht einfach … der Mädchenschlafraum ist leer, können wir uns nicht dort unterhalten?«
    Ein Muskel in seiner Wange zuckte. »Ich dachte, der Raum wäre für Seb reserviert.«
    Ich erstarrte, als hätte er mich geohrfeigt. Ich wusste, dass Kara ihren Mund nicht halten würde. »Tja, falsch gedacht«, entgegnete ich ungerührt. »Letzte Nacht war er da, weil es mir mies ging, okay? Du kannst nicht ernsthaft glauben, dass irgendwas passiert ist.«
    »Mies«, wiederholte Alex. »Also ist es auch noch meine Schuld, dass er da war. Aha, alles klar.«
    »Was hat denn das mit Schuld zu tun! Es ist doch nichts

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