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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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plötzlich wusste ich, was es war. Der Gedanke schoss mir durch den Kopf, als wäre es mein eigener.
    »Du hast Angst vor der Verantwortung«, sagte ich überrascht. Ich richtete mich auf und versuchte in der Dunkelheit sein Gesicht zu erkennen. »Das ist es, oder?«
    Erneut züngelte die Furcht schlangengleich in ihm auf, doch dann verblasste sie, als ob er sich bewusst bemühte, sie unter Kontrolle zu bringen.
    »Das hat nichts zu bedeuten«, sagte er schroff. »Ich habe nur bei meinem Dad genug davon mitbekommen, wie es ist, ein Anführer zu sein. Ich würde lieber allein arbeiten, oder in einem Team, unter jemandem, dem ich vertraue. Aber, weißt du …« Ich spürte, wie seine Brust sich unter mir bewegte. »So läuft es nun mal nicht. Wir müssen neue Engeljäger ausbilden und ich bin der Einzige, der weiß, wie das geht. Also werde ich damit fertigwerden müssen.«
    Es fühlte sich nicht so an, als wäre das tatsächlich schon alles, aber ich nahm es hin, weil er offensichtlich nicht darüber sprechen wollte. Und obwohl ich Gedanken lesen konnte, war es für mich nie infrage gekommen, jemanden auszuspionieren, der das nicht wollte. Ich verbannte Alex’ Gedanken aus meinem Kopf, um nicht versehentlich etwas aufzuschnappen. Wir waren uns so nahe, dass das inzwischen immer häufiger vorkam, selbst wenn ich es gar nicht beabsichtigte.
    »Du wirst deine Sache großartig machen«, murmelte ich. Ich küsste seinen Hals. »Und ich werde dir helfen, so gut ich kann. Psychologische Beraterin, weißt du noch?«
    Ich spürte, dass er lächeln musste. »Vergiss die Mechanikerin nicht. Wenn die Shadow so ist wie der Mustang …«
    Die Honda Shadow, die vor unserem Zelt parkte, war über zwanzig Jahre alt. Ich wusste, dass Alex ihr nicht traute. »Hey, untersteh dich, auf dem Mustang rumzuhacken«, sagte ich. »Das war ein echter Oldtimer. Und weißt du was? Die Shadow ist auch gar nicht so übel – für ein billiges Motorrad ist sie ziemlich toll.«
    »Warum hab ich gewusst, dass du das sagen wirst?« Die Schlafsäcke raschelten leise, als er sich zu mir herumrollte. Mittlerweile fühlte es sich im Zelt viel wärmer an, fast gemütlich.
    »Keine Ahnung, vielleicht weil …« Ich verstummte. Alex hatte meine Hand genommen und küsste jetzt meine Finger, einen nach dem anderen. Die Berührung seiner Lippen durchfuhr mich wie ein Stromstoß und meine Nervenenden schienen zu vibrieren. Ich merkte, wie mir ganz anders wurde, als er sanft an meinem kleinen Finger knabberte. Dann glitt die Wärme seines Mundes hinunter zu meiner Handfläche. Er drückte seine Lippen dagegen und ich erschauerte.
    »Vielleicht sollten wir für eine Weile nicht mehr reden, okay?«, wisperte ich.
    In jener Nacht hatte ich einen Traum.
    Ich stand ganz oben auf einem hohen Turm und blickte hinunter auf eine Stadt, die wohl die größte der Welt sein musste. Sie war schier endlos, wie ein Gebilde aus einem Science-Fiction-Film. In jeder Himmelsrichtung duckten sich flache Berge am Horizont zusammen und die Stadt wucherte einfach über sie hinweg, weiter und immer weiter, bis sie sich schließlich irgendwo in der dunstigen Unendlichkeit verlor. Irgendwie wusste ich, dass ich in Mexiko war – und zwar genau an dem Ort, der Alex und mir bestimmt war. Mich überfiel ein beklemmendes, drängendes Gefühl, als ich auf das Häusermeer hinunterstarrte. Wir mussten hierherkommen. Wir mussten.
    Mitten in der Stadt lag eine weite steinerne Fläche: Ein riesiger Platz, an dessen einem Ende eine Kathedrale stand und an dessen Seite sich ein lang gestrecktes, offiziell wirkendes Gebäude entlangzog. In der Nähe der Kathedrale war eine Bühne aufgebaut worden, Rockmusik erklang, Tausende von Menschen tanzten – ich spürte die Vibrationen. Mehrere Dutzend Engel segelten über den Platz hinweg wie jagende Falken über ein Feld. Voller Panik trat ich einen Schritt zurück. Sie würden meine Aura sehen. Sie würden wissen, was ich war …
    Die Welt wirbelte herum, die Szene wandelte sich. Die Menschenmassen verschwanden. Jetzt schwebten zwölf Engel über der Stadt, strahlender als alle, die ich je gesehen hatte. Wie zwölf gleißende Sonnen gossen sie ihr Licht über die Betongebäude unter ihnen. Eine uralte skrupellose Macht verband die zwölf und mich überlief ein Schauer. Die Engel fingen an, noch viel heller zu leuchten, bis ihr Licht mir beinahe die Augen versengte und ich den Blick abwenden musste. In dem Moment verglühten sie in einer Explosion, die ich

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