Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
Vom Netzwerk:
er den beiden die Lebensenergie herausreißen und zusehen, wie sie leblos zu Boden sackten …
    »Ruhig, ganz ruhig«, flüsterte eine Stimme. Eine junge menschliche Frau. Sie streichelte seinen Arm und selbst in seinem momentanen Zustand fand Raziel das lästig und wünschte sich, sie würde damit aufhören. Noch mehr Stimmen:
    »Kommt er wieder zu sich?«
    »Nein, ich glaube nicht. Ich weiß nicht, was ich für ihn tun soll. Sie sind so anders als wir …«
    Der Finger des Attentäters, der sich um den Abzug krümmte. Der brennende, plötzliche Schmerz, als die Kugel seinen Heiligenschein traf. Seine hilflos flatternden, von einem Krampf geschüttelten Flügel. Sein zitternder Körper, der aus Protest den Dienst versagte – und der Zorn, der in ihm wütete, als er zusammenbrach und die Welt um ihn herum schwarz wurde … Da traf die Zweite Welle ein und anstatt, dass er sie begrüßte und seine Stellung in dieser Welt angemessen zur Geltung brachte, wurde er von just dem Killer erledigt, dessen Leben er dämlicherweise für seine eigenen Zwecke verschont hatte. Er hatte sich ja für so clever gehalten, Kylar zu benutzen, um die Verräter unter den Engeln zu töten und ihn dabei in dem Glauben zu lassen, dass er weiterhin Befehle der CIA befolgte. Wer hätte gedacht, dass der junge Attentäter derart eigensinnig war?
    Das war ein Fehler gewesen, den Raziel schon bald bereinigen würde. Oh ja, und er würde jede einzelne Sekunde auskosten. Es war allerdings das Mädchen, das ihn am meisten in Rage versetzte. Das Mädchen. Er ballte seine Hände unter der Bettdecke zu Fäusten. Ihm war gesagt worden, sie sei tot. Doch stattdessen hatte sie tatsächlich die Frechheit besessen, die Ankunft der Zweiten Welle verhindern zu wollen.
    »Schsch«, beruhigte ihn die Frauenstimme. Ein kühles feuchtes Tuch fuhr ihm über die Stirn. Hätte das Mädchen Erfolg gehabt, hätte das für sie alle den Tod bedeutet, und die Erfüllung von Paschars Vision. Doch obwohl sie gescheitert war, saß die Demütigung bei Raziel tief – der gesamten Gemeinschaft der Engel war bekannt, dass Willow Fields der Halbengel war, nach dem er seit Wochen vergeblich gesucht hatte. Sie würden haargenau wissen, was sie in der Kathedrale vorgehabt hatte, wissen, dass er übertölpelt und beinahe besiegt worden war. Das war der Grund, warum er sich danach sehnte, seine Tochter ganz langsam zu töten und dabei ihren Schreien zu lauschen. Und sie fühlte sich jetzt so nah an – so verführerisch nah. Raziels Kopf bewegte sich unruhig auf dem Kissen hin und her. Er konnte ihre Energie spüren, obwohl sie Hunderte von Kilometern entfernt in einem Schlafsack lag, zusammen mit dem Killer. Er war sich nicht sicher, woher er das wusste. Die Gewissheit war irgendwie unscharf. Warum, warum war es ihm nicht gelungen, sie beide zu töten, als sich ihm die Gelegenheit dazu geboten hatte?
    »Können wir nicht wenigstens dafür sorgen, dass er sich wohler fühlt?«, flehte die Frau. »Er scheint sich so zu quälen.«
    »Wir versuchen es mal hiermit – es ist ganz mild, aber möglicherweise hilft es.«
    Ein kurzer schmerzhafter Einstich in seinem Arm. Natürlich bewirkte er gar nichts. Engel reagierten weder auf Aufputsch- noch auf Beruhigungsmittel. Raziel merkte, wie er dennoch tiefer in die Bewusstlosigkeit hinüberglitt, erschöpft von seinen eigenen Gedanken. Und währenddessen überkam ihn eine weitere Gewissheit … die unliebsamste Gewissheit, die er sich vorstellen konnte.
    Engel waren zwar Individuen, trotzdem waren sie miteinander verbunden, wie durch ein unsichtbares Netz. Wenn einer von ihnen starb, spürten sie es alle. Jetzt, nach dem Eintreffen der Zweiten Welle, hatte sich die Engelenergie in dieser Welt mehr als verdoppelt. Sie summte vor neuem Leben. Und in ihrem Herzen pulsierte eine zielbewusste, entschlossene Präsenz, die Raziel nur allzu gut erkannte.
    Selten hatte er sich im Laufe seines langen Lebens gefürchtet, aber jetzt fühlte er etwas, das diesem Gefühl sehr nahekam -ein jäher Schock und eine plötzliche Wachsamkeit, die ihn fast aus der Bewusstlosigkeit gerissen hätten. Davon hatte ihm niemand etwas gesagt. Es war undenkbar, dass keiner der anderen Engel in dieser Welt davon gewusst hatte, aber mit ihm hatte man die Information nicht geteilt. Das ließ Schlimmes ahnen. Er hatte frühestens in einigen Jahren damit gerechnet. Er hatte geglaubt, das Konzil würde die Zügel in ihrer alten Welt so lange wie möglich in der Hand behalten

Weitere Kostenlose Bücher